EU-Türkei-Deal. Griechenland setzte die Abschiebungen in die Türkei fort. Immer weniger Menschen kommen auf den Ägäis-Inseln an.
Athen. Am gestrigen Freitag war es wieder soweit: 124 Flüchtlinge und Wirtschaftsmigranten wurden im Rahmen des Abkommens zwischen Brüssel und Ankara von der griechischen Insel Lesbos in die Türkei zurückgeschoben. Es handelte sich vor allem um Pakistaner, sie alle hatten keinen Asylantrag gestellt – nach Angaben der griechischen Behörden aus freien Stücken.
Einige europäische Aktivisten protestierten gegen die Abschiebungen, indem sie ins Hafenbecken sprangen, um die Ausfahrt des Schiffes zu behindern – sie wurden von der griechischen Küstenwache eingesammelt. Aber nicht nur der Protest gegen die Abschiebungen hält an, Amnesty International veröffentlichte einen Bericht, nach dem die Lebensbedingungen in den geschlossenen, überfüllten Lagern von Moria auf Lesbos und Vial bei Chalkeios auf Chios menschenunwürdig seien. Der verspätete Aufbau einer geeigneten Infrastruktur für geschlossene Zentren habe dazu geführt, dass Zugang zu Informationen und zum Asylverfahren sowie die Versorgung unzureichend sind. Auf Chios kam es, wie schon am Mittwoch, auch am Donnerstag zu Krawallen. Eine Menschenmenge drang in das provisorische Lager von Flüchtlingen im Hafen von Chios ein. Auch aus Sicherheitsgründen räumte die Polizei den Hafen. Es gab Festnahmen: nicht von Krawallmachern, sondern von Migranten, die den Hafen nicht verlassen wollten.
Rom und Wien für EU-Grenzwache
Es hat jedoch den Anschein, dass die neue Politik ihr Ziel erfüllt: Seit vergangenem Montag, dem Tag der ersten Abschiebungen, kamen durchschnittlich täglich nicht mehr als 104 Menschen nach Griechenland. Ob aber die direkte Verteilung von Flüchtlingen aus der Türkei Richtung Europa funktionieren wird, bleibt ungewiss: Ungarns Ministerpräsident, Viktor Orbán, macht bereits gegen die neuen Umverteilungspläne der EU-Kommission mobil. Um den Schutz der EU-Außengrenze langfristig besser unter Kontrolle zu kriegen, machte sich Innenministerin Johanna Mikl-Leitner bei einem Besuch bei ihrem Amtskollegen Angelino Alfano in Rom für die Einführung einer EU-Grenz- und Küstenwache stark. (c.g.)
("Die Presse", Print-Ausgabe, 09.04.2016)