Freihandelsabkommen: Die Chancen für TTIP schwinden

Reuters
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Der Vertrag mit den USA spaltet die EU. Noch bevor er überhaupt ausverhandelt ist, droht Frankreich mit Blockade und zeichnet sich in einigen Ländern ein parlamentarisches Nein ab.

Wien/Brüssel. Frankreichs Handelsminister, Matthias Flekl, spricht offen von einem möglichen Ende der Verhandlungen über das transatlantische Freihandels- und Investitionsabkommen TTIP. Kurz vor der 13. Verhandlungsrunde zwischen der EU und den USA, die am kommenden Montag in New York startet, steht ein großes Fragezeichen über dem weltweit bedeutendsten Handelsvertrag. Die Regierung in Paris kritisiert mangelnde Ergebnisse in den Gesprächen. Schon im September hat Flekl dafür plädiert, dass die Beratungen ohne ausreichende Fortschritte beendet werden sollten. „Diese Option liegt noch immer auf dem Tisch.“

Die zahlreichen Einwände von EU-Seite, wie jene gegen den umstrittenen Investorenschutz oder die regulatorische Kooperation, haben die Verhandlungen nicht gerade erleichtert. Dazu kommt, dass auch die Chancen deutlich sinken, dass TTIP letztlich von allen EU-Mitgliedstaaten mitgetragen wird. Österreich, Deutschland, Frankreich und Niederlande sind Wackelkandidaten – weitere Länder wie etwa Spanien könnten folgen.

Der jüngste Konflikt über die Mitbestimmung des österreichischen Nationalrats bei einem vorläufigen Inkrafttreten des Freihandelsabkommens zwischen Kanada und der EU (CETA) ist nur ein Vorgeschmack auf künftige Probleme. TTIP, das die beiden größten Märkte der Welt – EU und USA – füreinander öffnen und als Vorreiter für weltweite Standards bei Produktion und Handel von Konsumgütern gelten soll, wird nach derzeitigem Stand an seiner Ratifizierung scheitern. Zwar reicht auf europäischer Ebene im Rat der EU eine qualifizierte Mehrheit unter den Regierungsvertretern und im Europaparlament eine Mehrheit der Abgeordneten. Das heißt, selbst wenn mehrere kleinere Länder wie Österreich im Rat und nur kleinere Fraktionen im Europaparlament dagegen stimmten, könnte TTIP hier abgesegnet werden. Anders wäre aber die Situation, wenn auch die nationalen Parlamente abstimmten und bei mittlerweile durchaus wahrscheinlichen Referenden wie etwa in den Niederlanden die Bevölkerung zum Zug käme.

Der EU-Vertrag legt zwar fest, dass Freihandelsabkommen im Prinzip nur vom Rat und vom Europaparlament abgesegnet werden müssen. Ausnahmen gibt es aber bei den sogenannten gemischten Abkommen. Ein Abkommen ist dann gemischt, wenn es Bereiche umfasst, die nicht nur in die Kompetenz der EU-Kommission fallen. Wie ein Sprecher von EU-Handelskommissarin Cecilia Malmström gegenüber der „Presse“ bestätigt, würde TTIP „sehr wahrscheinlich“ Kompetenzen der Mitgliedstaaten berühren. Das wiederum würde eine Ratifizierung in allen einzelnen Mitgliedstaaten erforderlich machen. Allein dieser Vorgang würde Jahre dauern.

Keine Mehrheit im Nationalrat

In Österreich ist derzeit im Nationalrat keine Mehrheit für das EU/USA-Abkommen in Sicht. Das wurde zuletzt Mitte März bei einer Wirtschaftsdebatte im Plenum deutlich. Die Grünen und die FPÖ sind strikt gegen TTIP, große Teile der SPÖ ebenfalls. Lediglich ÖVP- und Neos-Abgeordnete äußerten sich auch positiv. Zudem haben alle Kandidaten für die Bundespräsidentenwahl angekündigt, dass sie TTIP nach derzeitigem Stand nicht unterzeichnen würden.

Etwas besser ist die Lage im deutschen Bundestag. Dort haben sich zwar die beiden Regierungsfraktionen prinzipiell für das Abkommen mit den USA ausgesprochen. Aber in der SPD formiert sich bereits Widerstand, Grüne und Linke würden sowieso gegen das Abkommen stimmen. Auch in Frankreich lehnen viele Sozialdemokraten, Linke, aber auch der Front National TTIP kategorisch ab. In den Niederlanden wird nach dem Referendum über das Assoziierungsabkommen EU/Ukraine mit einer neuen Bürgerinitiative zur Abhaltung einer Volksabstimmung über TTIP gerechnet. Ein solches Referendum wäre zwar nicht bindend, könnte die TTIP-freundliche Regierungskoalition in Den Haag aber in Bedrängnis bringen, sollte sie dem Abkommen zustimmen wollen.

In jenen neun EU-Ländern, die bereits jetzt über ein bilaterales Freihandelsabkommen mit den USA (mit teilweise schlechteren Bedingungen) verfügen, ist die negative Stimmung in einzelnen Partnerländern nicht nachvollziehbar. In Schweden beispielsweise haben sich sogar die Gewerkschaften für TTIP ausgesprochen. „Wir verstehen die Ängste in Österreich nicht“, erklärte jüngst ein schwedischer Diplomat im Gespräch mit der „Presse“.

Doch auch in den USA formiert sich Widerstand. Gegner des Abkommens befürchten ähnlich wie in Europa eine mögliche Reduzierung von Lebensmittelstandards und eine Konkurrenz der EU im öffentlichen Beschaffungswesen. In Washington wird nicht mehr damit gerechnet, dass TTIP unter der Ära Obama abgeschlossen werden kann.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 21.04.2016)

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