Schweden: EU verliert im Norden an Unterstützung

Sweden´s flag is seen near Stockholm Cathedral in Gamla Stan or the Old Town district of Stockholm
Sweden´s flag is seen near Stockholm Cathedral in Gamla Stan or the Old Town district of Stockholm(c) REUTERS (BOB STRONG)
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Eine Mehrheit der schwedischen Bevölkerung würde in einem Referendum gegen einen EU-Verbleib stimmen, sollte Großbritannien im Juni aus der Union austreten.

Stockholm. Die bevorstehende Volksabstimmung der Briten über einen möglichen Austritt aus der Europäischen Union hat auch in den beiden nördlichen EU-Ländern Schweden und Dänemark deutliche Spuren hinterlassen. In Schwedens Bevölkerung ist die Zustimmung zur eigenen EU-Mitgliedschaft innerhalb eines halben Jahres erdrutschartig gefallen.

Eine große Umfrage des öffentlich-rechtlichen schwedischen Fernsehens, SVT, hat ergeben, dass derzeit nur noch 39 Prozent der Schweden es als „eine gute Idee“ betrachten, dass ihr Land Mitglied der EU ist. Das sind um 20 Prozent weniger als noch im Herbst: Damals befürworteten 59 Prozent die EU-Mitgliedschaft. Mittlerweile hält dies mehr als ein Fünftel der Bevölkerung für eine „schlechte Idee“. Der große Rest des Volkes ist sich unsicher.

Bei einem konkreten Referendum zum EU-Verbleib würden derzeit dennoch 44 Prozent für eine Fortsetzung der Mitgliedschaft stimmen, 32 Prozent dagegen. Sollte sich allerdings Großbritannien bei der Abstimmung am 23. Juni für einen Austritt entscheiden, würde eine Mehrheit von 36 Prozent der Schweden ebenfalls gegen den EU-Verbleib votieren, 32 Prozent dafür. Allerdings sind sich auch in diesem Szenario 32 Prozent der Wähler unsicher, wie die Umfrage zeigt.

Wichtiger Grund: Flüchtlinge

Experten vermuten, dass der Meinungsumschwung auch mit der Flüchtlingskrise zu tun hat – bei der die EU als Solidargemeinschaft versagt hat. Schweden hat, gemessen an seiner Einwohnerzahl, noch vor Deutschland am meisten Flüchtlinge aufgenommen, während andere EU-Länder sich verbarrikadiert haben. Das wurde auch immer wieder von den Spitzenpolitikern des Landes kritisiert. „Die Mitbürger hören auf ihre Volksvertreter, und in Schweden gab es von dieser Seite viel Kritik zur EU-Flüchtlingspolitik“, sagt Politologe Göran von Sydow vom schwedischen Institut für europapolitische Studien zur „Presse“.

„Die Meinungswerte zeigen vor allem, dass die Unsicherheit im Volk bezüglich der EU markant gestiegen ist, aber die meisten sind noch nicht zur Nein-Seite gewechselt. Vorerst zumindest nicht“, so von Sydow.

Ein EU-Austritt Schwedens scheint demnach zwar unwahrscheinlich, aber völlig ausschließen könne man langfristig nichts mehr. Fast alle Parteien im schwedischen Parlament stehen zwar fest hinter der EU. Aber das taten sie auch beim Referendum zur Einführung des Euro 2003, und die Bürger wählten dennoch das Festhalten an der Krone.

„Mit einem EU-Austritt Großbritanniens würde Schweden, aber auch Dänemark, den einzigen großen Alliierten verlieren, der ebenfalls die eigene Währung behalten wollte und auch sonst eine sehr ähnliche EU-Politik wie wir Skandinavier führt“, analysiert Göran von Sydow.

Schweden, mit seinen rund zehn Millionen Einwohnern eher ein kleineres EU-Land, trifft sowohl in der Währungspolitik als auch in der Landwirtschaftspolitik, bei dem EU-Budget, dem Binnenmarkt und dem freien Handel stets sehr ähnliche Entscheidungen wie die stimmenstarken Briten. Ähnliches gilt auch für das mit 5,7 Millionen Einwohnern noch kleinere Dänemark: Dies belegt ein Bericht der Nichtregierungsorganisation Vote Watch Europe. Von allen Abstimmungen zur Europapolitik wählten Schweden und Dänemark zu 89 beziehungsweise 88Prozent die gleichen Optionen wie die Briten.

Diskussion in Dänemark

In Dänemark hat die rechtspopulistische Dänische Volkspartei (DF) ihre ohnehin schon EU-skeptischen Positionen verschärft. Bisher hat die DF zwar zumindest die EU-Mitgliedschaft Dänemarks an sich unterstützt. Damit könnte bei einem Nein der Briten in etwas mehr als zwei Monaten aber endgültig Schluss sein.

„Dann müssen wir erwägen, ob Dänemark weiterhin EU-Mitglied sein soll. Wenn ein Land, mit dem wir zusammen in die EU gegangen sind, austritt, müssen auch wir überlegen, wo wir stehen“, sagte der EU-Abgeordnete der DF, Kenneth Kristensen Berth. Die anderen Parteien stehen hingegen weiterhin vorbehaltlos zur EU-Mitgliedschaft.

AUF EINEN BLICK

Schweden und Dänemark treffen laut einem Bericht der NGO Vote Watch bei den meisten europapolitischen Fragen die gleichen Entscheidungen wie die Briten und betrachten diese als wichtige Verbündete. Sollte sich die Bevölkerung Großbritanniens in dem für 23. Juni angesetzten Referendum für einen EU-Austritt entscheiden, dürften auch in den beiden nordeuropäischen Ländern die Zustimmungswerte für die Union sinken. Dies legt eine Umfrage des schwedischen Fernsehens nahe.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 27.04.2016)

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