EU gibt Spanien und Portugal Gnadenfrist beim Defizit

Portugal droht zurück in die Krise zu rutschen. Dennoch bekommt es vorerst mehr Zeit.
Portugal droht zurück in die Krise zu rutschen. Dennoch bekommt es vorerst mehr Zeit.REUTERS
  • Drucken

Die EU-Kommission gibt Lissabon und Madrid ein zusätzliches Jahr zur Erfüllung von Defizitzielen und will erst nach den Wahlen in Spanien über etwaige Sanktionen nachdenken.

Brüssel. Das Budget ist in Zahlen gegossene Politik – diese Maxime spielte bei den jüngsten Überlegungen der EU-Kommission zur budgetären Lage in den Mitgliedstaaten eine wichtige Rolle. Wo es politisch besonders heikel ist, spielt die Brüsseler Behörde auf Zeit: Spanien, Portugal und Italien erhalten von Brüssel mehr Zeit, um ihre Haushalte in Ordnung zu bringen. Eine Entscheidung darüber, ob Brüssel bei den Sparbemühungen mit der Androhung von Strafen nachhelfen soll, wurde verschoben: Was Portugal und Spanien anbelangt, will die Kommission Anfang Juli über ihre weitere Vorgangsweise entscheiden. Der Termin ist kein Zufall, denn Ende Juni finden in Spanien Parlamentswahlen statt. Durch den Aufschub will die EU vermeiden, Gegnern der Sparbemühungen Wahlkampfmunition zu liefern. Italien wiederum hat bis November Zeit, um seine Pläne für das Budget 2017 so zu gestalten, dass sie mit den Vorgaben aus Brüssel konform sind.

Juncker gegen Strafen

Dass Madrid und Lissabon so glimpflich davongekommen sind, hat in erster Linie politische Gründe, wie Wirtschaftskommissar Pierre Moscovici gestern zugab: Es sei nicht der richtige Moment, um Spanien und Portugal zu strafen. Was die nackten Zahlen betrifft, könnte der Sachverhalt klarer nicht sein: Statt im Vorjahr ein Budgetdefizit von 4,2 Prozent der Wirtschaftsleistung zu verbuchen, vermeldete Spanien einen Fehlbetrag von 5,1 Prozent des BIPs. In Portugal belief sich das Defizit 2015 auf 4,4 statt 2,7 Prozent des BIPs. Wie die „Financial Times“ berichtete, sprach sich Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker letztendlich gegen Sanktionen aus, um EU-Gegnern in den beiden Ländern nicht in die Hände zu spielen.

Sowohl Spanien als auch Portugal haben stattdessen eine einjährige Galgenfrist erhalten: Madrid muss sein Defizit 2016 Richtung drei BIP-Prozent drehen, Portugal soll dieses Ziel bis Jahresende erreichen. Derartige Fristenstreckungen sind übrigens nichts Neues: So hat Frankreich 2015 zwei zusätzliche Jahre erhalten, um die Defizitvorgaben zu erfüllen. Ob der Aufschub konstruktiv genutzt wird, ist im Fall Spaniens allerdings fraglich, denn der konservative Premierminister, Mariano Rajoy, kündigte für den Fall seines Wahlsiegs Steuersenkungen an, während Rajoys größter Widersacher, die linkspopulistische Partei Podemos, Sparmaßnahmen grundsätzlich ablehnt.

Zugeständnisse herausschlagen konnte zuletzt auch Italien, das von der Brüsseler Behörde die Bewilligung erhalten hat, heuer die Budgetvorgaben um 0,85 Prozent des BIPs bzw. 14 Mrd. Euro zu überschreiten. Laut Moscovici hat sich Rom im Gegenzug für diese Flexibilität dazu verpflichtet, seine Zusagen nächstes Jahr einzuhalten. Italiens Finanzminister. Pier Carlo Padoan. erklärte sich in einem am Dienstag verfassten Brief an die EU-Kommission dazu bereit, die Defizitziele für 2017 „in groben Zügen“ einzuhalten.

Neben Spanien, Portugal und Italien wurden auch die anderen Mitgliedstaaten mit Empfehlungen bedacht. Österreich rät die EU-Kommission zu größeren Anstrengungen bei Arbeitsmarkt- und Pensionsreform. Leise Zweifel hat die Brüsseler Behörde auch daran, ob die geplante Gegenfinanzierung der Steuerreform die neu gerissenen Löcher im Budget stopfen kann – sonst drohe die Nichteinhaltung der Defizitregeln.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 19.05.2016)

Lesen Sie mehr zu diesen Themen:


Dieser Browser wird nicht mehr unterstützt
Bitte wechseln Sie zu einem unterstützten Browser wie Chrome, Firefox, Safari oder Edge.