Der Flüchtlings-Deal mit der Türkei wird zum Problem

Die türkische Regierung - Kabinettssitzungen werden seit Neuestem von Präsident Erdogan (Mitte) geleitet - droht der EU offen.
Die türkische Regierung - Kabinettssitzungen werden seit Neuestem von Präsident Erdogan (Mitte) geleitet - droht der EU offen.(c) REUTERS (HANDOUT)
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Auch wenn sich EU-Größen wie Juncker und Merkel gelassen geben, die Türkei droht der EU offen im Visums-Streit. Verteidigungsminister Doskozil sieht Österreich ausreichend vorbereitet.

Die Visumfreiheit an das Flüchtlings-Rücknahmeabkommen zu koppeln wird für die Beziehungen zwischen EU und Türkei immer mehr zur Belastung. Während sich EU-Vertreter unbeeindruckt von türkischen Drohungen zeigen, legen türkische Politiker nach. Österreich sieht sich vorbereitet, sollte die Türkei mehr Flüchtlinge nach Europa durchlassen, glaubt Verteidigungsminister Hans Peter Doskozil (SPÖ).

EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker hält die Drohungen des türkischen Staatschefs Recep Tayyip Erdogan für wirkungslos. "Drohungen sind nicht die besten diplomatischen Instrumente, die man anwenden kann", sagte Juncker am Donnerstag beim G-7-Gipfel im japanischen Ise-Shima. "Sie werden keinerlei Effekt haben."

Die EU erwarte, dass die Türkei sich an ihre Verpflichtungen halte. Erdogan hatte einen Bruch der Abmachungen mit der EU angedroht. Er sagte am Dienstag, ohne Fortschritte bei der Visumfreiheit werde er ein bereits 2013 mit der EU vereinbartes Abkommen zur Rücknahme von Flüchtlingen zum 1. Juni platzen lassen.

Doskozil plant "Szenarien"

Österreich wäre vorbereitet, falls der Flüchtlingspakt mit der Türkei scheitern sollte. "Wir bereiten uns darauf vor", sagte Verteidigungsminister Hans Peter Doskozil am Mittwoch vor Journalisten in Klagenfurt. Es gebe "Szenarien", wie man dann reagieren könne. Nach Gesprächen mit den Nachbarländern könnten etwa verstärkte Grenzkontrollen folgen.

"Wir wollen signalisieren, dass wir in der Lage sind, unsere Grenzen zu kontrollieren", so Doskozil. Derzeitig sieht er die Fluchtrouten vor allem über das Burgenland nach Österreich verlaufen, ein "Fokus" sei aber auch auf den Brenner gerichtet.

Merkel gibt sich gelassen

Die deutsche Kanzlerin hat am Mittwoch hingegen gelassen auf die Drohungen aus der Türkei reagiert, das Flüchtlingsabkommen mit der EU platzen zu lassen. Angela Merkel sagte, sie sei "nicht besorgt". Zwar werde die Klärung einiger Fragen wohl noch mehr Zeit in Anspruch nehmen, "aber im Grundsatz werden wir jedenfalls von unserer Seite zu unseren Vereinbarungen stehen".

Die Kanzlerin sagte, dass die Türkei noch nicht alle 72 Bedingungen der Europäischen Union für die Visafreiheit erfüllt habe. Bei den Gesprächen zwischen der EU-Kommission und Ankara werde nun "alles auf den Tisch kommen". Ihr Eindruck sei, dass auf beiden Seiten diese Gesprächsbereitschaft bestehe.

EU sei nicht "einzige Option" Ankaras

Die EU fordert im Austausch für eine visa-freie Einreise türkischer Staatsbürger in die EU eine Änderung der türkischen Anti-Terror-Gesetze, die ein hartes Vorgehen gegen Politiker der kurdischen Minderheit möglich machen. Die EU-Staaten wollen von Ankara allerdings auch, dass es Flüchtlingswege über die Türkei nach Europa versperrt.

Am Mittwoch heizte der neue türkische Europaminister Omer Cilik den Streit weiter an: Er sieht die Beziehung der Türkei mit der Europäischen Union als wichtig, aber nicht die "einzige Option" für Ankara an. Die EU müsse ihre "doppelten Standards" im Kampf gegen den Terrorismus beenden, sagte Celik am Mittwoch, einen Tag nach seiner Amtseinführung, in Ankara. Denn die türkische Regierung wirft der EU vor, mit der kritischen Haltung gegen das türkische Anti-Terror-Gesetz die kurdische Arbeiterpartei PKK zu unterstützen.

(APA/dpa/Reuters)

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