Millionenschwere PR: Die Propaganda der EU

(c) EPA (Robert Ghement)
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Die EU-Institutionen sehen sich mit zunehmender Skepsis konfrontiert. Sie versuchen, mit Millionenkampagnen und gefilterten Informationen gegenzulenken. „Wir sind gefordert, mehr Information zu bieten“, sagt der oberste Sprecher der Kommission.

DJ Trexx tanzt mit vier Frauen rhythmisch durch ein Industriegelände. „A Union of Peace, Love and Bass“ dröhnt aus dem Internet. Das Musikvideo stammt von der EU-finanzierten Internetplattform „EUtube“ und soll Stimmung für Europas Einigungswerk machen. Der eigene Kanal auf YouTube ist nur eine Facette des PR-Kampfes, den die EU-Institutionen aufgenommen haben, um der massiven Kritik einzelner Boulevardmedien wie der „Daily Mail“ in Großbritannien oder der „Kronen Zeitung“ in Österreich entgegenzutreten.

„Wir sind gefordert, mehr Information zu bieten“, sagt der oberste Sprecher der Kommission, Johannes Laitenberger, im Gespräch mit der „Presse am Sonntag“. Und dies werde nun über alle Kommunikationskanäle getan. Doch Kritiker fragen sich, ob es hier wirklich nur um „Information“ geht. Ist nicht vielmehr eine millionenschwere Gegenpropaganda im Gange?


Ein schwedischer Thinktank hat die EU-Kommunikationspolitik der vergangenen fünf Jahre unter die Lupe genommen. Das Papier von „Timbro“, das die Handschrift von Maria Rankka, einer Exmitarbeiterin von Schwedens Außenminister Carl Bildt, trägt, kommt zu dem Schluss, dass die Schwelle zur Manipulation klar überschritten wurde. Wörtlich ist von einer „Propagandamaschinerie“ die Rede.

Auch wenn die zuständige Kommissarin Margot Wallström in einer ersten Reaktion von einer „simplifizierten“ Darstellung spricht, war das Problem in Brüssel längst bekannt: Die EU-Kommission hat früher lediglich klassische Informationen über ihre eigenen Arbeitsfelder angeboten. Diese wurden von unabhängigen Medien durch weitere Informationen ergänzt und schließlich veröffentlicht. Heute, so auch die Kritik des schwedischen Papiers, würden aber mit Steuergeldern eigene TV-Kanäle, Radionetzwerke und Internetauftritte finanziert. So stellt etwa das Radionetzwerk Euranet mit einem Budget von 5,8 Millionen für fünf Jahre internationalen Radiostationen vorproduzierte Soundbites zur Verfügung. Gleiches geschieht über den TV-Träger EBS für Fernsehstationen. Nebenbei leistet sich die Kommission noch 10,8 Millionen Euro im Jahr, um den TV-Sender „Euronews“, der regelmäßig über EU-Veranstaltungen berichtet, zu unterstützen.

Ziel all dieser Investitionen ist es, die Berichterstattung der unabhängigen Medien zu umgehen und selbst für ein positives Bild zu sorgen. Die Timbro-Studie zeigt, dass diese Strategie nur einen Zweck verfolgt: Die EU in einem möglichst positiven Licht darzustellen. „Jegliche Kritik wird dabei ausgeklammert.“


Das offizielle Budget der Kommission für Öffentlichkeitsarbeit beträgt 213 Millionen Euro pro Jahr. Das ist angesichts der Größe der Union nicht viel. Wie die schwedische Studie allerdings belegt, werden darüber hinaus hunderte weitere Millionen für Medienauftritte und PR-Aktionen aufgewandt. Fast jede der Generaldirektionen in der Kommission hat zusätzliche PR-Budgets. So investierte beispielsweise eine Generaldirektion in diesem Jahr 7,5 Millionen Euro in eine Informationskampagne zur Einheitswährung. Auch das Europaparlament leistet sich ein eigenes Fernsehen: EuroparlTV. Die Berichte gehen weit über die Übertragung von Plenarsitzungen hinaus. Kostenpunkt: neun Millionen Euro im Jahr.

Seit der Jahrtausendwende hat die Kommission ihre Kommunikationsarbeit kontinuierlich verändert. Dies wurde auch an Äußerlichkeiten deutlich. Die in Brüssel akkreditierten Korrespondenten durften sich im alten Kommissionsgebäude noch frei bewegen. Es war für sie möglich, einzelne Experten aufzusuchen, sich mit Gesprächspartnern im Haus zu treffen. Seit dem Umzug in das Berlaymont-Gebäude vor fünf Jahren ist ihnen dieser Zugang verwehrt. Kommissionsbeamte und Journalisten kommen durch getrennte Eingänge ins Haus. Medien erhalten einmal pro Tag im Briefing-Raum der Kommission vorgefilterte Informationen.

„Wir nehmen die Transparenzpflicht sehr ernst“, versichert Laitenberger, der hier täglich den Journalisten Rede und Antwort steht. „Aber leider wird unsere Information oft als Propaganda abgetan.“ Doch auch Laitenberger muss eingestehen, dass es intern Druck gibt. „Da heißt es immer wieder, wir sollen doch positiver werden.“


Die Wende in der EU-Kommunikationspolitik geht auf ein Strategiepapier zurück, das 2005 unter Kommissarin Wallström verfasst wurde. Darin heißt es: „Kommunikation ist mehr als Information. Sie ist keine neutrale Übung abseits jeder Werte, sondern sie ist ein wichtiger Teil des politischen Prozesses.“ Damit war klar, dass die Kommission ihre Öffentlichkeitsarbeit zur Meinungsbildung umwandeln möchte. Seit damals, so wissen Mitarbeiter, werde noch stärker gefiltert, was an die Öffentlichkeit gelangt.

Ein Beispiel sind die regelmäßigen Eurobarometer-Umfragen. Diese werden zwar in den Mitgliedstaaten von unabhängigen Institutionen durchgeführt. Doch es obliegt der EU-Kommission selbst, welche Daten sie schließlich veröffentlicht. Unangenehmes wird dabei gern ausgeblendet. So wie vor vier Jahren, als sich die Bevölkerung unionsweit über den „Teuro“ erboste. Zwar wurden einige Antworten zum Euro präsentiert. Die Ergebnisse zur Teuerungsfrage, die von einer Mehrheit negativ beurteilt wurde, fielen aber der internen Zensur zum Opfer.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 02.08.2009)

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