Der breite Wunsch nach weniger EU

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Die Skepsis nimmt mit dem Alter zu, die Flüchtlingskrise hat dem Ansehen der EU enorm geschadet, Stimmung in großen Mitgliedsländern ist eingebrochen.

Brüssel. Die Stimmungslage in Europa bietet keinen Anlass dazu, über große europapolitische Würfe nachzudenken. So lautet das Fazit einer Umfrage des Instituts Pew Research Center. Die US-Meinungsforscher haben im Lauf des Frühjahrs insgesamt 10.491 Personen in zehn Mitgliedstaaten zu ihrer Haltung gegenüber der Union und ihrer Politik befragt (Österreich war nicht dabei). Die einzige gute Nachricht für Europapolitiker: Nach wie vor hat eine hauchdünne Mehrheit von 51 Prozent aller Befragten ein insgesamt positives Bild von der EU. Ein Mandat für weitere Integration sollte daraus allerdings nicht abgeleitet werden, im Gegenteil: Nur 19 Prozent der Befragten befürworten die Übertragung weiterer nationalstaatlicher Kompetenzen nach Brüssel, hingegen sind 42 Prozent der Ansicht, die EU müsse einen Teil ihrer Kompetenzen an die nationalen Regierungen und Parlamente zurückgeben.

Vier Entwicklungen stechen aus dem statistischen Material hervor. Erstens die anhaltende Verschlechterung der Grundstimmung in den großen Mitgliedstaaten. So hat etwa in Frankreich die Zahl der Befragten, die ein positives Bild von der EU haben, im Zeitraum von 2004 bis 2016 von 69 auf 38 Prozent abgenommen. In Italien gab es einen Rückgang von 78 auf 58 Prozent, in Spanien von 80 auf 47 Prozent. Einzig in Deutschland hat sich die Zahl der Zufriedenen nur wenig verändert, und zwar von 58 Prozent im Jahr 2004 auf 50 Prozent zwölf Jahre später.

Entwicklung Nummer zwei: Es sind vor allem ältere Menschen, die wenig von der EU halten. Besonders in Frankreich und Großbritannien ist die Unzufriedenheit unter den Senioren weit verbreitet: Während 56 Prozent der jungen Franzosen (18–34 Jahre) die EU gut finden, sind es bei der Generation 50+ lediglich 31 Prozent.

Dritter Befund: Die Flüchtlingskrise hat dem Ansehen der EU enorm geschadet. Die höchste Zustimmung zur gemeinsamen Flüchtlingspolitik gab es in den Niederlanden mit 31 Prozent – bei einer 63-prozentigen Ablehnung. In Griechenland waren 94 Prozent dagegen und lediglich fünf Prozent dafür. In Schweden, das seine liberale Einwanderungspolitik zu Jahresbeginn aufgeben musste, waren 88 Prozent der Befragten unzufrieden mit der europäischen Performance. Und zu guter Letzt scheint die Wirtschafts- und Finanzkrise immer noch nicht ausgestanden zu sein: Lediglich in zwei der zehn untersuchten Mitgliedstaaten – Deutschland und Polen – war eine Mehrheit der Befragten der Ansicht, die EU habe die Wirtschaftspolitik im Griff. Besonders skeptisch waren hingegen Griechen, Franzosen und Italiener.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 09.06.2016)

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