Das große Glück der Dänen

File photo shows the Nyhavn canal, part of the Copenhagen, Denmark, Harbor and home to many bars and restaurants
File photo shows the Nyhavn canal, part of the Copenhagen, Denmark, Harbor and home to many bars and restaurants(c) Reuters (STAFF)
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Rekordverdächtige 70 Prozent der im Rahmen der Eurobarometer-Umfrage befragten Dänen gaben an, mit ihrem Leben sehr zufrieden zu sein. In Österreich waren es 26 Prozent.

Brüssel/Kopenhagen. Eine urbane Lebensqualität der Weltklasse, die perfekte Balance zwischen Fortschritt und Traditionsbewusstsein, zwischen Sicherheit und Stimulation – so beschreibt die britische Lifestyle-Bibel „Monocle“ die dänische Hauptstadt Kopenhagen. Einmal im Jahr erstellen die Briten einen Index der weltbesten Städte der Welt – und Kopenhagen liegt immer ganz vorn. Nach dem Spitzenplatz im Jahr 2013 hat sich die Position im Ranking 2015 zwar etwas verschlechtert (was mit dem islamistischen Terroranschlag zu Jahresbeginn zu tun hat), trotzdem bleibt Kopenhagen bei der Monocle-Jury beliebt.
Was für die dänische Hauptstadt gilt, gilt auch für ganz Dänemark. Wann immer es darum geht herauszufinden, wo die europaweit höchste Lebenszufriedenheit vorherrscht, liegt der kleinste skandinavische Staat (Einwohnerzahl: 5,5 Millionen) ganz vorn.

Wenn es um Rang eins geht, sind nur die Schweizer eine ernst zu nehmende Konkurrenz für die Dänen. Fasst man allerdings alle Rankings und Studien zusammen, sind die Skandinavier nicht zu schlagen – und das nicht nur in Europa, sondern weltweit. Eine kleine Auswahl: Platz eins im World Happiness Report 2013 und 2012, im jüngsten Better Life Index der OECD weisen nur die Schweiz und Island ein annähernd hohes Niveau der allgemeinen Lebenszufriedenheit auf, und in der aktuellen Eurobarometer-Umfrage der EU-Kommission (durchgeführt im Herbst 2015) gaben rekordverdächtige 70 Prozent der dänischen Befragten an, mit ihrem Leben sehr zufrieden zu sein. In Österreich waren es im Vergleich lediglich 26Prozent, im EU-Durchschnitt gar nur 24 Prozent.

Was sind die Ursachen für das Lebensglück der Dänen? Mit dieser Frage befasst sich seit einigen Jahren das in Kopenhagen ansässige Happiness Research Institute, dass unlängst den Report „The Happy Danes“ publiziert hat. Seine Autoren haben insgesamt acht ausschlaggebende Faktoren für die dänische Lebenszufriedenheit ausgemacht: Vertrauen, Sicherheit, Wohlstand, Freiheit, Arbeit, Demokratie, Zivilgesellschaft und Work-Life-Balance.

Über die Ursachen des großen Vertrauens in die Mitmenschen gibt es zahlreiche Spekulationen, die vom Grad der Homogenität der Bevölkerung bis zum sozialen Sicherheitsnetz reichen. Versuche haben ergeben, dass die Wahrscheinlichkeit, ein verloren gegangenes Portemonnaie zurückzubekommen, in Dänemark besonders hoch ist – was das Miteinander erleichtert. Der wichtigste Sicherheitsfaktor ist laut den Studienautoren der dänische Sozialstaat, dessen Leistungen aus einem ebenfalls rekordverdächtig hohen Steueraufkommen finanziert werden.

Flexicurity-Modell

In Dänemark wurde übrigens das Flexicurity-Modell erfunden, das die betriebsbedingte Kündigung von Arbeitnehmern leicht macht und die Gekündigten sozial abfedert – mit hohem Arbeitslosengeld und Fortbildungsmaßnahmen. Womit wir bei der bereits angesprochenen Freiheit wären: Im Index of Economic Freedom der US-amerikanischen Heritage Foundation belegt Dänemark momentan Platz zwölf – in der EU werden nur Irland und Estland als wirtschaftsliberaler eingestuft. Auch was die Pressefreiheit anbelangt, ist das Land weit vorn: Rang vier im aktuellen Press Freedom Index – hinter Finnland, den Niederlanden und Norwegen.

Die Zufriedenheit mit der Arbeit wiederum speist sich unter anderem aus der Tatsache, dass die Dänen zwar produktiv sind, aber vergleichsweise weniger Stunden im Büro verbringen als viele andere EU-Bürger. Und was die politische Teilhabe anbelangt, ist das Vertrauen der Dänen besonders stark ausgeprägt: Gemäß Eurobarometer waren im vergangenen Herbst nur zwölf Prozent der Dänen mit dem Zustand der Demokratie in ihrem Land unzufrieden – in Österreich machten die Unzufriedenen 42 Prozent aus, der EU-Schnitt betrug 45 Prozent.

Davon, dass das gute Leben integraler Bestandteil der dänischen Gesellschaft ist, zeugt auch das dänische Vokabel „hygge“ – das sich als Gemütlichkeit, allein oder in Gesellschaft, übersetzen lässt.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 11.06.2016)

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