Brexit oder nicht? Panikmache dominiert letzte Debatte

Die Diskussionsrunde im Wembley-Stadion.
Die Diskussionsrunde im Wembley-Stadion.(c) Reuters
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Bei der letzten großen Debatte vor der Abstimmung über einen EU-Austritt Großbritanniens kommt es zu einem heftigen Schlagabtausch.

Vor tausenden Zuschauern im Londoner Wembley-Stadion haben sich Befürworter und Gegner eines britischen EU-Austritts kurz vor dem Referendum einen leidenschaftlichen Schlagabtausch geliefert. Vertreter beider Seiten warfen sich in der Debatte am Dienstagabend, die live im Fernsehen übertragen wurde, gegenseitig Panikmache vor.

Die Diskussionsrunde fand nur 36 Stunden vor Öffnung der Abstimmungslokale statt. Umfragen ergaben noch immer kein klares Bild, wie das Ergebnis aussehen dürfte.

"Ihr verbreitet Lügen und Ihr jagt den Leuten Angst ein", rief Londons Bürgermeister Sadiq Khan als Vertreter des Pro-EU-Lagers dem Wortführer der Austrittsbefürworter, Boris Johnson, entgegen. "Das ist Panikmache, Boris, und Du solltest Dich dafür schämen." Khans Äußerungen bezogen sich auf Warnungen der Austrittsbefürworter, dass ein Verbleib des Landes in der EU zu erheblich mehr Einwanderung führen würde.

"Ihr unterschätzt dieses Land schändlich"

Johnson wiederum warf Khan vor, ein "Angstprojekt" zu betreiben und eine übertriebene Furcht vor einem wirtschaftlichen Kollaps des Königreichs im Falle eines EU-Austritts zu schüren. "Ihr sagt, es gehe nicht anders, als sich Brüssel zu beugen", rief Johnson. "Wir sagen, dass Ihr dieses Land auf schändliche Weise unterschätzt."

Johnson betonte, die Einwanderung müsse unter Kontrolle gebracht werden - innerhalb der EU sei das nicht möglich. Warnungen vor den wirtschaftlichen Folgen eines Brexit wies Johnson zurück. Jeder wisse, dass etwa ein Fünftel der deutschen Autoproduktion nach Großbritannien gehe. "Glauben Sie wirklich, die wären so verrückt und würden Zölle zwischen Deutschland und Großbritannien einführen?", fragte Johnson.

In dem Londoner Stadion waren rund 6000 Zuschauer zu Gast. Die Diskussionsrunde war paritätisch nach Brexit-Gegnern und -Befürwortern besetzt.

Debatte ohne David Cameron

Premierminister David Cameron, der für einen Verbleib Großbritanniens in der EU wirbt, war bei der TV-Debatte am Abend nicht dabei. Der Regierungschef hatte sich zuvor bereits in einem dramatischen Appell vor seinem Amtssitz Downing Street 10 direkt an die Wähler gewandt. "Für Sie, für Ihre Familie und für die Zukunft unseres Landes, stimmen Sie für Drinbleiben", sagte er. Cameron warnte zugleich: Sollten die Briten bei dem historischen Votum an diesem Donnerstag für einen Austritt aus der EU stimmen, gebe es kein Zurück mehr.

Jüngste Umfragen ergeben kein klares Bild über den zu erwartenden Ausgang der Abstimmung. Eine am Dienstag veröffentlichte Studie des ORB-Instituts für die Zeitung "Daily Telegraph" ergab 53 Prozent für das Pro-EU-Lager und 46 Prozent für die Brexit-Befürworter. Dagegen sah das Institut YouGov das Brexit-Lager knapp vorn: 44 Prozent von mehr als 1.600 Befragten wollten demnach für einen EU-Austritt stimmen, 42 Prozent dagegen. Auch diese Umfrage zeigt, wie wichtig es für beide Lager sein wird, die nach monatelanger Debatte noch immer unentschlossenen Wähler von ihren Argumenten zu überzeugen.

Die Wahllokale öffnen am Donnerstag um 7 Uhr und schließen um 22 Uhr Ortszeit (23.00 Uhr MESZ). Mit einem Ergebnis wird am Freitagmorgen gerechnet.

(APA/AFP/dpa)

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