Juncker: Brexit ist nicht Anfang vom Ende der EU

Der EU-Kommissionspräsident äußert sich zum Brexit.
Der EU-Kommissionspräsident äußert sich zum Brexit.APA/AFP/JOHN THYS
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London und die EU müssten die Austrittsverhandlungen schnell einleiten, sagt Juncker. Merkel bezeichnet das Votum als Einschnitt für Europa.

EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker hat eindeutig dementiert, dass der Brexit der Anfang vom Ende der EU sein könnte. "Nein", sagte Juncker auf eine entsprechende Frage am Freitag und verließ danach unter Applaus der anwesenden Journalisten das Podium.

Zuvor hatte Juncker die gemeinsame Erklärung der vier Präsidenten zum Brexit verlesen. In dem Schreiben hatten Juncker sowie EU-Ratspräsident Donald Tusk, EU-Parlamentspräsident Martin Schulz und der amtierende Halbjahresvorsitzende des niederländischen Ratsvorsitzes, Mark Rutte, zu raschen Austrittsverhandlungen mit Großbritannien gedrängt. Es gehe nun darum, den "Prozess der Ungewissheit, in dem wir gelandet sind, nicht all zu lange anhalten" zu lassen. Es gehe darum, "jetzt etwas aufs Tempo zu drücken". Die britische Regierung solle die Entscheidung der Bevölkerung so schnell wie möglich umsetzen.

Die vier Präsidenten betonten auch, dass die ursprünglich mit Großbritannien im Fall eines Verbleibs in der EU ausgehandelten vier Punkte u.a. zu Migration und Sozialbereich nun natürlich nicht mehr gelten würden. Gleichzeitig gelte für London weiterhin das EU-Recht, "bis Großbritannien nicht länger EU-Mitglied ist".

Merkel: Plädoyer für europäische Einigung

Sehr deutlich äußerte sich die deutsche Bundeskanzlerin Angela Merkel in einem Statement. "Es gibt nichts drumherum zu reden: Der heutige Tag ist ein Einschnitt für Europa, er ist ein Einschnitt für den europäischen Einigungsprozess", sagte Merkel. Was dieser Einschnitt letztlich bedeute, hänge davon ab, "ob wir, die 27 Mitgliedsstaaten der EU willens und fähig sind, keine einfachen und schnellen Schlüsse aus dem Referendum zu ziehen, die Europa weiter spalten werden." Es gelte nun in Ruhe zu bewerten und gemeinsam die richtigen Entscheidungen zu treffen. Das Ziel müsse sein, eine enge partnerschaftliche Zusammenarbeit mit Großbritannien aufzubauen.

Deutschland habe eine besondere Verantwortung und ein großes Interesse daran, dass die europäische Einigung gelinge. Sie habe daher für Montag EU-Ratspräsident Donald Tusk sowie den französischen Präsidenten Francois Hollande und Italiens Ministerpräsident Matteo Renzi nach Berlin eingeladen. Am Dienstag werde sie im Rahmen einer Sondersitzung des Bundestags über die Haltung der Bundesregierung informieren.

Die Kanzlerin sprach auch die aufflammenden Zweifel der EU-Bürger am europäischen Einigungsprozess an. Die Bürger müssten spüren können, dass die EU zur Verbesserung ihres Lebens beitrage. Dazu führte Merkel drei Punkte an. Erstens seien die Herausforderungen in der Welt zu groß, als dass ein Staat sie alleine bewältigen könne. Die EU müsse sich daher als engagierter Partner in der Welt verstehen, der die Globalisierung mitgestalten wolle. Zweitens sei die EU ein Garant für Frieden, Wohlstand und Stabilität. Zuletzt sei die Schlussfolgerung aus dem Brexit "mit einem historischen Bewusstsein" zu ziehen. "Wir dürfen nie vergessen, dass die Idee der europäischen Einigung eine Friedensidee war", sagte die Politikerin.

Außenminister Sebastian Kurz sprach von einem "Erdbeben für ganz Europa". Er forderte eine "Kompetenzbereinigung". Die EU müsse in großen Fragen wie einer gemeinsamen Außen-, Sicherheits- und Verteidigungspolitik sowie einer gemeinsamen Flüchtlingspolitik aktiver werden, sich aber bei kleineren Fragen zurücknehmen. Es sei nicht gut, "wo den Deckel draufzuhalten oder Dinge schönzureden". Man müsse ordentlich an einem starken und handlungsfähigem Europa arbeiten, "dann wird auch die Zustimmung zur Europäischen Union wieder deutlich steigen". 

(APA/red.)

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