Österreicher in Großbritannien "fix und fertig"

Österreicher in Großbritannien: "Schockiert, fix und fertig"
Österreicher in Großbritannien: "Schockiert, fix und fertig"REUTERS
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Auslandsösterreicher erzählen, wie sie den "Black Friday" nach der Brexit-Abstimmung erleben.

"Ich bin sehr schockiert, fix und fertig." Noch immer kann es die gebürtige Steirerin Nicole Brown nicht glauben, dass eine Mehrheit der Briten für den EU-Austritt gestimmt hat. Sie hatte mit einem knappen Nein gerechnet. Am Freitagvormittag checkte sie die Homepage von BBC News mehrmals, um zu sehen, ob sich das Ergebnis nicht doch noch nach ihren Wünschen dreht: vergeblich.

Die 39-Jährige lebt seit knapp 16 Jahren in Faversham in der südöstlichen Grafschaft Kent, arbeitet als Lektorin im Fach Bildungswissenschaften am University College London, ihr Ehemann ist Engländer. Brown kritisiert den Fokus der Kampagnen auf das Thema Einwanderer als Sündenböcke für die Überlastung des britischen Schul- und Gesundheitssystems und das Ziel der politischen Akteure, mit der EU-Frage eigentlich innenpolitische Veränderungen herbeiführen zu wollen. So ist der konservative Londoner Ex-Bürgermeister Boris Johnson aus Browns Sicht gar kein so glühender Brexit-Befürworter, sondern habe vor allem seinen innerparteilichen Rivalen David Cameron als Premier stürzen wollen.

Über die Konsequenzen des Brexit für sich selbst und ihre Familie hat sich Brown noch nicht wirklich Gedanken gemacht, nachdem sie nicht damit gerechnet hatte. Sie fühlt aber Unsicherheit auf sich zukommen. Sorgen macht ihr etwa, ob sie und ihr Sohn die britisch-österreichische Doppelstaatsbürgerschaft werden behalten können. Als Uni-Angestellte befürchtet sie auch, dass nicht mehr so viele Studenten aus dem Ausland nach Großbritannien kommen könnten. Nun heiße es einmal "abwarten und Tee trinken".

"Man fühlt sich hintergangen"

"Persönlich, und da geht es mir genauso wie vielen Freunden aus der ganzen EU, mit denen ich heute schon gesprochen habe, fühlt man sich hintergangen", schildert Franz Schwarz seine Gefühlslage nach dem Pro-Brexit-Votum. Schwarz, der an der Uni Wien Jus studierte, ist Rechtsanwalt in der Kanzlei Wilmerhale in London. "Viele Freunde sagen, sie fühlen sich als EU-Bürger zum ersten Mal nach oft vielen Jahren, fast 20 in meinem Fall, nicht mehr willkommen. Einige fragen sich auch, ob sie in einem Land, das sich für Abgrenzung und Isolation entschieden hat, überhaupt noch leben wollen."

Schwarz ist schon lange im Land. Er habe ein sicheres Aufenthaltsrecht und könne auch die englische Staatsbürgerschaft bekommen, sagt er. "Ob ich das will, ist natürlich eine andere Frage."

"Hoffe weiterhin"

Einen "verrückten" und "betrübenden" Vormittag hat der 25 Jahre alte Rene Jellitsch hinter sich. Er lebt seit vier Monaten in London, wo er in einer Medienagentur mit Beschäftigten aus 58 Ländern arbeitet. Dass die Briten am Donnerstag für einen Austritt des Vereinigten Königreichs gestimmt haben, verunsichert ihn zutiefst.

Er und seine Arbeitskollegen seien den Großteils des Vormittags damit beschäftigt gewesen, über das Ergebnis des Referendums zu sprechen "und wie schockiert wir nicht alle sind. Das Schlimmste ist einfach die Unsicherheit, was als nächstes passiert." Sein Chef habe gleich nach der Ergebnisverkündung eine E-Mail an alle Mitarbeiter gesendet und mitgeteilt, dass das Unternehmen nun am Prüfen sei, wie es weitergeht, erzählt Jellitsch. Der CEO werde aber "für jeden einzelnen kämpfen, falls notwendig - daher hoffe ich weiterhin".

Dass die Briten so klar für einen Brexit gestimmt haben, führt Jellitsch auf Ängste der Briten zurück: Ausländer, die den Einheimischen Jobs wegnähmen, kleine Firmen, die Ressentiments gegen Großkonzerne hätten. Dank Auslandserfahrungen und Internet hätten junge Menschen eine ganz andere Einstellung zur Internationalität als ältere Menschen - das könne man auch an den Wahlergebnissen ablesen.

"Mein Kopf hat sich noch nicht ganz entschieden"

Gar Mitleidsbekundungen im Büro hat Alina Eglhofer bekommen. "Ein bisschen bekommt man das Gefühl, hier herrscht die Meinung vor, ich müsste mich noch heute wieder in ein Flugzeug nach Hause setzen", schildert die 25-jährige Wienerin, die erst vor einer Woche nach London gekommen ist, um dort einen Job als Administrative Manager anzufangen.

Sie selbst weiß noch nicht recht, was sie vom Nein der Briten zur EU halten soll. "Mein Kopf hat sich da noch nicht ganz entschieden, er schwankt zwischen 'Wohnung in Wien doch behalten' und 'Jetzt erst recht für immer hierbleiben'."

"Black Friday. Eine Tragödie"

"Black Friday. Eine Tragödie. Ich bin schockiert." So reagierte Katharina Korinek auf den Ausgang der Abstimmung. Sie lebt in South Somerset im Südwesten von England, einer agrarisch geprägten Region, die mehrheitlich für den Austritt aus der EU stimmte.

"Auf 10 Vote-Leave-Schilder am Straßenrand kam hier ein Vote-Remain-Schild", beschreibt Korinek, die als Marketing- und PR-Beauftragte auf einer Bio-Farm arbeitet, die Stimmungslage am Land. "Ich fühle mich hier jetzt etwas unwillkommen. Eines der Hauptthemen der Kampagne war schließlich Migration." Von britischen Bekannten habe sie auf Facebook aber schon Zuspruch und Trost erhalten.

Die Konsequenzen für ihr Berufsleben bezeichnet die Österreicherin als ungewiss: "Ich mache mir Sorgen um unser Business. Wenn die Kunden weniger Geld für unsere Produkte ausgeben, Agrarsubventionen gestrichen werden, und es mit unseren Zahlen bergab geht, braucht man mich vielleicht nicht mehr."

"Der Frust über die Politik und ein starker Rechtsruck", sind für Korinek die ausschlagenden Gründe für das Votum. "Aber das ist in ganz Europa so. Das ist das gleiche wie bei Van der Bellen und Hofer. Das Land ist gespalten. Ich habe die Befürchtung und Sorge, dass sich jetzt ein Land nach dem anderen Großbritannien anschließt und Europa zerfällt. In Zeiten wie diesen sollten wir zusammenhalten und nicht auseinanderfallen."

(APA)

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