Großbritannien verzichtet auf EU-Ratspräsidentschaft

Theresa May (hier im Nationalen Sicherheitsrat) kündigt an, dass die Briten auf eine Ratspräsidentschaft verzichten werden.
Theresa May (hier im Nationalen Sicherheitsrat) kündigt an, dass die Briten auf eine Ratspräsidentschaft verzichten werden.APA/AFP/POOL
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Die Briten werden keine EU-Ratspräsidentschaft mehr führen. Wann der Austritt erklärt wird, ist weiter offen - auch ob das Parlament abstimmen muss.

Großbritannien verzichtet wegen des Votums für einen EU-Austritt auf die EU-Ratspräsidentschaft 2017. Premierministerin Theresa May habe EU-Ratspräsident Donald Tusk darüber informiert, dass man die Austrittsverhandlungen vorrangig behandeln wolle, sagte eine Regierungssprecherin am Mittwoch in London.

"Die Premierministerin hat erklärt, dass wir die Verhandlungen über den Austritt aus der EU sorgfältig vorbereiten müssen, bevor wir Artikel 50 aktivieren", sagte die Sprecherin im Hinblick auf die offizielle Überstellung einer Austrittserklärung nach EU-Recht. Tusk habe zugesichert, den Prozess so reibungslos wie möglich zu gestalten. Ein Sprecher Tusks bestätigte, dass Großbritannien über den Verzicht auf die EU-Ratspräsidentschaft informiert habe.

Das Vereinigte Königreich sollte turnusgemäß in der zweiten Jahreshälfte 2017 den Ratsvorsitz für sechs Monate von Malta übernehmen. Für 2018 sind bisher Estland und Bulgarien als EU-Ratspräsidentschaften vorgesehen, Österreich würde plangemäß im ersten Halbjahr 2019 den Ratsvorsitz führen. Zuletzt hatten EU-Vertreter die Möglichkeit ins Spiel gebracht, dass Belgien für Großbritannien zwischen Juli und Dezember 2017 einspringen könnte.

Wer springt ein?

In der belgischen Hauptstadt Brüssel sind die EU-Institutionen angesiedelt, so dass der zusätzliche Aufwand für die Organisation informeller Ministertreffen - die sonst im jeweiligen Land der EU-Ratspräsidentschaft stattfinden - begrenzt wäre. Die Option, dass sich Malta und Estland die Aufgabe teilen, habe dagegen rechtliche Probleme aufgeworfen.

Das Land, das den Vorsitz im EU-Ministerrat innehat, kann maßgeblich Einfluss auf die Agenda der EU in den jeweiligen sechs Monaten ausüben und soll zugleich Kompromisse sowohl der Mitgliedsländern untereinander als auch mit EU-Kommission und EU-Parlament ausloten. Derzeit übt die Slowakei dieses Amt aus.

Die EU-Botschafter würden im Laufe des Tages über den Verzicht Großbritanniens beraten und womöglich auch entscheiden, welches Land für Großbritannien einspringt, sagte ein Sprecher Tusks AFP in Brüssel. Der belgische Außenminister Didier Reynders hatte am Wochenende nach Angaben der Nachrichtenagentur Belga gesagt, sein Land sei bereit, die Ratspräsidentschaft anstelle von Großbritannien zu übernehmen.

Wann kommt der Brexit?

Eine Mehrheit von 52 Prozent der Briten hatte sich am 23. Juni in einem Referendum für den EU-Austritt Großbritanniens ausgesprochen. May, die vor einer Woche den zurückgetretenen Premierminister David Cameron abgelöst hatte, wird am Mittwochabend zu einem Antrittsbesuch in Deutschland erwartet. Am Donnerstag folgen Gespräche mit dem französischen Präsidenten Francois Hollande in Paris.

Die britische Regierung wird nach den Worten eines ihrer Rechtsvertreter in diesem Jahr noch nicht den formellen Antrag zum Austritt aus der Europäischen Union (EU) stellen. Dies gehe aus den Äußerungen von Premierministerin Theresa May hervor, sagte der Anwalt Jason Coppell am Dienstag vor dem Obersten Gerichtshof Londons.

Die Anhörung markierte den Auftakt des Rechtsstreits, ob die Regierung den Brexit-Antrag aus eigener Machtfülle stellen kann oder das Parlament darüber entscheiden lassen muss - dort haben derzeit wohl die EU-Befürworter die Mehrheit.

May in Berlin

Premieministerin May baut unterdessen ihren Kontakt mit Regierungschefs anderer EU-Länder aus. May ist am Mittwochabend in Berlin bei der deutschen Kanzlerin Angela Merkel zu Gast. Auch dort wird der Brexit Thema sein. Am Dienstagabend telefonierte May mit der polnischen Regierungschefin Beata Szydlo. Thema waren auch die Rechte der in Großbritannien lebenden Polen nach dem Austritt Großbritanniens aus der Europäischen Union, wie Szydlos Regierungskanzlei nach dem Gespräch am Dienstagabend mitteilte.

(APA/dpa)

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