Griechen dürfen wieder mehr Geld abheben

Menschen vor einem Bankomaten in Griechenland
Menschen vor einem Bankomaten in GriechenlandAFP
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Die zaghafte Lockerung der Kapitalkontrollen zeigt, dass Griechenland noch nicht über den Berg ist. Die Regierung hofft auf die Rückkehr zum Wachstum im zweiten Halbjahr 2016.

Athen. Vergangenen Freitag wurde eine Lockerung der Beschränkungen im griechischen Kapitalverkehr verkündet. Ist das eine gute Nachricht? Nein, denn sie zeigt, dass die Kontrollen, ein Jahr und einen Monat nach ihrer Verhängung, immer noch notwendig sind. Privatleute dürfen nun innerhalb von zwei Wochen 840 Euro abheben, ausländische Pensionisten dürfen Konten in Griechenland und griechische Erasmusstudenten Konten im Ausland eröffnen.

Ergänzt wird das Lockerungspaket von Anreizen für Privatleute und Unternehmer, das Geld „unter dem Kopfpolster“ wieder auf die Banken zu tragen. Wer frisches Bargeld einzahlt, darf bis zu 100 Prozent davon frei abheben, wer elektronisch einzahlt, bis zu 30 Prozent. Das zeigt, wie dünn die Kapitaldecke der erst im Herbst refinanzierten griechischen Banken noch ist – doch gerade sie sind es, die nach Vorstellung der Regierung Tsipras nun „heißes“ Geld in die Wirtschaft pumpen sollen.

Die Zahlen zeigen anderes: Noch Ende 2014, vor dem Wahlsieg von Alexis Tsipras, hatten griechische Privatleute und Firmen Einlagen von 164 Mrd. Euro auf den griechischen Bankkonten. Im Juli 2015, dem ersten Monat der Kapitalkontrollen, als sich nach chaotischen Verhandlungen der Bankrott Griechenlands anzukündigen schien, waren es noch 120,8 Mrd. Euro, und nun, Ende Mai 2016, nur eine einzige Milliarde mehr – von Vertrauen in die griechische Wirtschaft zeugt das nicht.

Berg fauler Kredite

Die zweite Zeitbombe in den Bilanzen der griechischen Banken sind die unbedienten Kredite, die inzwischen nicht weniger als 45 Prozent der gesamten Darlehen ausmachen – das dürfte Weltrekord sein. Und so bleiben die Banken bei der Kreditvergabe mehr als zugeknöpft – die Kredite an den Privatsektor sinken ständig. Gerade 2016 ist wieder vielen Firmen die Luft ausgegangen, eine Pleitewelle rollt. Die spektakulärsten Fälle: Die einst größte griechische Supermarktkette Marinopoulos musste um Gläubigerschutz ansuchen; der greise Gründer der in Schwierigkeiten geratenen Tankstellenkette Jet Oil beging Selbstmord.

Nicht wenige, wie zuletzt in der „Frankfurter Zeitung“ zu lesen, sehen die griechische Wirtschaft in einer „Schockstarre“ und glauben an den Zusammenbruch. Sie dürften sich täuschen: Die griechische Wirtschaft hat das verrückte Jahr 2015 besser überstanden als befürchtet. Sicherlich, sie geriet nach dem schwachen Lebenszeichen 2014 wieder in die Rezession, doch der Tiefpunkt könnte Ende des ersten Halbjahrs 2016 erreicht sein.

Der private Konsum ging, trotz Sparpaketen, nur relativ leicht zurück. Die hohe Arbeitslosenrate fällt leicht, aber stetig – zuletzt betrug sie 23,3 Prozent. Und Millionen Touristen werden von einer zunehmend international wettbewerbsfähigen Hotelbranche betreut.

Könnten Finanzminister Efklidis Tsakalotos und EU-Finanzkommissar Pierre Moscovici, die an eine Trendwende im zweiten Halbjahr 2016 glauben, recht behalten? Dazu brauchte es laut Bank of Greece einen „Investitionsschub“, der nur unter folgenden Umständen zu erwarten sei: der Öffnung geschlossener Märkte, schneller Privatisierungen und einer Verringerung der Steuerlast. Zwei Fliegen auf einen Schlag wollte man im Juli bei der Privatisierung des staatlichen Bahndienstleisters Trainose treffen. Man verkaufte ihn um nur 45 Mio. Euro an die italienischen Staatsbahnen – Fußballstars sind teurer, stellten Griechenlands Medien sarkastisch fest. Doch ohne Privatisierung wäre Trainose pleitegegangen. Darüber hinaus wird der Bahnverkehr ab 2017 völlig liberalisiert; zwei private Firmen, darunter ein Joint Venture von ÖBB-Tochter Rail Cargo mit Goldair, haben bereits Lizenzen für die Nutzung des griechischen Netzes erworben.

Darlehen an private Firmen

Am wenigsten geredet wird von jenen, die den Aufschwung tragen sollen: den Privatunternehmen, die durch innovative Produkte ein neues griechisches Wirtschaftsmodell aufbauen sollen. In Kooperation mit der Europäischen Investitionsbank (EIB) wurden Darlehen griechischer Banken an Klein- und Mittelbetriebe gestützt. Das funktionierte nur zum Teil. Also ging die EIB dazu über, direkte Firmendarlehen in Hoffnungsbranchen zu vergeben. Erster Nutznießer war das Unternehmen Creta Farm, das nun 15 Mio. Euro im Agrarbereich in F&E stecken kann.

(Print-Ausgabe, 27.07.2016)

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