Wie Orbán mit Tickets in die EU Geld macht

Viktor Orbán.
Viktor Orbán.(c) REUTERS (SERGIO PEREZ)
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Für den Kauf von Staatsanleihen um 300.000 Euro erhalten Ausländer das Bleiberecht im EU-Staat Ungarn. Zu den Profiteuren des Programms zählen zwischengeschaltete Offshore-Firmen. Die Opposition wittert Korruption.

Wien/Budapest. „Migration ist Gift“, hat Viktor Orbán in der Vorwoche erklärt. Den Zuzug reicher Ausländer dürfte der ungarische Premier damit nicht gemeint haben. Seine Regierung hat schon vor Längerem 300.000-Euro-Staatsanleihen mit gewissen Extras auf den Markt gebracht: Statt Zinsen erhalten die Käufer das dauerhafte Bleiberecht in Ungarn. Just die liberale und grüne Opposition warnt nun vor einem Sicherheitsrisiko und spricht von Korruption, zumal an den Geschäften die zwischengeschalteten Vermittlungsagenturen prächtig verdienen sollen.

Die Benefits-Residency-Bond Program-Gesellschaft soll die ungarischen Staatsanleihen augenfällig im arabischen Raum und auf dem indischen Subkontinent an den Mann bringen. Auf der Homepage herzt ein Mann im weißen Wüstentuch ein kleines Kind. Der Hungary-State-Special-Debt-Fund wiederum sucht Käufer in Ostasien. Seinen Sitz hat der Fonds auf den Cayman Islands. Den Besuchern des Webauftritts lacht eine vierköpfige chinesische Familie entgegen. Neben dem Bild wird in Mandarin versichert: „Für das Bleiberecht ist kein Aufenthalt in Ungarn nötig.“ Wer noch Fragen hat, dem wird auf den Agenturseiten geholfen. Zum Beispiel: „Ist Ungarn ein nettes Land?“ Aber vor allem: „Ist Schengen tot?“ Natürlich nicht. Denn die Käufer, Berichten zufolge zu mehr als 80 Prozent Chinesen und zu sieben Prozent Russen, dürfte weniger Budapests prächtige Altstadt als die EU-Freizügigkeit locken. Zunächst bedeutet das Reisefreiheit im Schengen-Raum und das Recht auf den Aufenthalt von bis zu 90 Tagen pro halbem Jahr in einem anderen EU-Land.

„Private machen enorm Profit“

Nun hat Ungarn solche Programme nicht erfunden: In Malta und Zypern werden Staatsbürgerschaften verkauft, Ähnliches gibt es in den USA und Kanada. „Doch die ganze Geschichte hier in Ungarn riecht sehr merkwürdig“, sagt Gergely Brückner, einer der führenden Wirtschaftsjournalisten in Ungarn, zur „Presse“. Erstens sei das Programm kein besonders gutes Geschäft für den Staat. Er verkauft die 300.000-Euro-Anleihen zum Diskontpreis um rund 270.000 Euro an die zwischengeschalteten Agenturen und kauft sie nach fünf Jahren um 300.000 Euro Nominalwert zurück. Die Differenz streifen die Agenturen ein. „Sie machen enormen Profit“, sagt Brückner. Denn zusätzlich erhalten die ausländischen Käufer noch im Schnitt „35.000 bis 40.000“ Euro Gebühr.

Der genaue Betrag der Gebühr sei geheim. Bei mindestens 3637 verkauften Staatsanleihen und 9735 Aufenthaltstiteln (Familienmitglieder inkludiert) ergibt sich ein Umsatz in dreistelliger Millionenhöhe.

Hinzu kommt, dass die Anwaltskosten von 5000 Euro immer an denselben Juristen zu entrichten sind: Kristóf Kosik, der schon die Fidesz-Partei beraten hat und dem der Kanzleiminister Antal Rogán nahestehen soll. Rogán hatte das Staatsanleihenprogramm für Migranten auf den Weg gebracht. Viktor Szigetvári von der liberalen Együtt-Partei wittert die Nutznießer des Programms daher im Dunstkreis der Regierung: „Wir glauben, dass die Profiteure den Fidesz-Oligarchen nahestehen“, sagt er zur „Presse“. Die Regierung bestreitet alle Vorwürfe.

Die Affäre hat noch eine zweite, ironische Seite: Die Opposition unterstellt der migrationsfeindlichen Orbán-Regierung, die nationale Sicherheit zu gefährden. Seit Juli wird das dauerhafte Bleiberecht sofort und nicht erst nach sechs Monaten vergeben. Die Zeitung „Magyar Nemzet“ schreibt von Missbrauchsfällen: Ausländische Kriminelle hätten sich in anderen Ländern Leumundszeugnisse verschafft und dann das Bleiberecht in Ungarn erhalten. Das Innenministerium bezeichnete die Vorwürfe als unbegründet. Die Käufer und ihre Familien würden vierfach kontrolliert, wenn nötig bis zu 30 Tage lang.

Ein Blog zitierte indes höhnisch Orbáns Antiflüchtlingskampagne: „Die ungarischen Bürger haben das Recht zu entscheiden, mit wem sie zusammenleben wollen.“

("Die Presse", Print-Ausgabe, 02.08.2016)

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