Der Autritt des Vereinigten Königreichs aus der EU wird kompliziert. Derzeit ist nicht einmal klar, wann die Verhandlungen beginnen. Dabei drängt die Zeit.
Vor zwei Monaten schockte das Brexit-Votum die Europäer - noch kurz vor dem Referendum am 23. Juni hatte kaum jemand geglaubt, dass sich die Briten wirklich für einen Austritt aus der Europäischen Union entscheiden würden. Es folgten eine Regierungskrise in London, flammende Appelle der Einheit in Brüssel - und große Ratlosigkeit auf beiden Seiten des Ärmelkanals.
An diesem Montag berät die deutsche Kanzlerin Angela Merkel mit ihrem italienischen Kollegen Matteo Renzi und dem französischen Präsidenten Francois Hollande in Italien die Lage. Konsultationen mit einer ganzen Reihe anderer EU-Staaten folgen. Hier einige wichtige Fragen und Antworten zum Stand der Brexit-Vorbereitungen:
Was ist seit dem Referendum passiert?
Offiziell nicht viel. Entscheidend für den Beginn der Austrittsverhandlungen ist eine formelle Mitteilung Großbritanniens nach Artikel 50 des Vertrags über die Europäische Union. Anfangs drängten EU-Politiker wie Parlamentspräsident Martin Schulz London, das Dokument binnen weniger Tage einzureichen. Der damalige Premier David Cameron hatte jedoch seinen Rücktritt angekündigt und argumentierte, die Scheidung müsse die neue Regierungsspitze verantworten. Kurz darauf übernahm seine konservative Parteikollegin Theresa May das Amt. Die Papiere lassen trotzdem auf sich warten.
Wollen die Briten den Austritt hinauszögern?
Es scheint beinahe so. May stellte kurz nach ihrem Amtsantritt klar, sie wolle die auf zwei Jahre angesetzten Verhandlungen über ein Austrittsabkommen nicht vor Jahresende starten. Nach Medienberichten denkt die Regierung sogar darüber nach, erst im Herbst 2017 den Artikel 50 auszulösen. Dann käme die Trennung wohl frühestens Ende 2019.
Warum diese Verzögerung?
Anfangs hieß es, auch das Brexit-Lager sei von seinem Sieg überrascht worden und habe keinen konkreten Plan. Tatsächlich schweigen die einstigen Wortführer Boris Johnson und Nigel Farage dazu bis heute. May will den Volkswillen nach eigenem Bekunden umsetzen, ist aber eben auch noch nicht aktiv geworden. Es heißt, London wolle die Wahlen in Frankreich im Frühjahr und in Deutschland im Herbst 2017 abwarten. Zeitungen mutmaßen über andere Gründe: Die zuständigen Ministerien - das Brexit-Ministerium und das Ministerium für Internationalen Handel - hätten noch nicht die nötigen Fachleute für die hochkomplexen Verhandlungen mit Brüssel.
Wie reagieren die EU-Partner?
Offiziell warten sie ab - viel anderes bleibt ihnen auch nicht, denn der nächste Schritt ist nun mal Sache der britischen Regierung. In dem Vakuum wird viel spekuliert, wie das Vereinigte Königreich zwar austreten, der EU aber doch möglichst eng verbunden bleiben kann - ähnlich wie Norwegen oder die Schweiz. Die EU-Kommission blockt aber vorerst alle Diskussionen ab mit dem gebetsmühlenartigen Hinweis, es gebe keine Verhandlungen vor der offiziellen Mitteilung. "No negotiations without notification", lautet die Formel.
Kommt der Brexit doch nicht?
Sowohl Brüssel als auch London weisen solche Spekulationen zurück. Will man die Scheidung jedoch durchziehen, drängt die Zeit: Im Frühjahr 2019 soll ein neues Europaparlament gewählt werden. Und da Großbritannien bis zum Austritt alle Rechte und Pflichten hat, müsste das Land noch einmal Abgeordnete bestimmen, wenn die Verhandlungen nicht vorher abgeschlossen sind.
Was will Großbritannien am Ende erreichen?
Ziel ist, nach dem EU-Austritt freien Zugang zum Binnenmarkt für britische Waren und Dienstleistungen zu behalten. Beschränkt werden soll dagegen die Freizügigkeit für EU-Bürger, die in der Brexit-Debatte zentrales Thema war. Die EU hat zwar ebenfalls großes Interesse an Großbritannien als Markt, doch macht Brüssel bereits klar: Grenzenlosen Warenaustausch gibt es nur bei ungehinderter Migration - das Eine geht nicht ohne das Andere.
(APA/dpa)