EU-Bestrebungen: Kroatien droht mit Nein zu Serbien

Kroatiens geschäftsführender Außenminister, Miro Kovač.
Kroatiens geschäftsführender Außenminister, Miro Kovač.(c) APA/AFP/GALI TIBBON
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Kroatisch-serbische Beziehungen sind auf neuem Tiefpunkt: Zagreb kündigt nun eine Blockade der Belgrader EU-Bestrebungen an.

Belgrad/Zagreb. Schlimmer geht's in zerrütteten Problemehen immer. Wie viele erboste Protestnoten die einstigen Kriegsgegner Kroatien und Serbien in diesem Sommer bereits ausgetauscht haben, vermögen selbst besorgte Analysten in Belgrad und Zagreb kaum mehr zu sagen. Mit seinen „Provokationen“ werde „Serbien niemals ein Mitglied der EU werden“, drohte am Wochenende Kroatiens geschäftsführender Außenminister; Miro Kovač; gar die dauerhafte Blockade der Beitrittsverhandlungen des Nachbarn an. Der Grund für seinen Groll: Serbiens Justizbehörden hatten einen Kroaten aus Osijek mit einem der Kriegsverbrechen verdächtigten Namensvetter verwechselt und bei der Einreise irrtümlich verhaften lassen.

Kroatien sei die „größte Schande der EU“, entgegnete erregt Serbiens Chefdiplomat Ivica Dačić. Ein Kroatien, das nahezu alle Verbrechen der faschistischen Ustascha während des Zweiten Weltkriegs rehabilitiert habe, verfüge über „keinerlei moralisches Recht“, Serbien zu drohen. Kovač störe es wohl, dass Belgrad die Rehabilitierung der Ustascha „niemals zulassen“ werde, polterte Dačić: „Diejenigen, die die Serben in Konzentrationslagern erschlagen haben, fordern eine Entschuldigung von ihren Opfern: Das ist der Gipfel des Zynismus.“

Wahlkampf als Belastung

Belastet wird das sensible Verhältnis nicht nur durch die Versuche des EU-Neulings Kroatien, den Beitrittsmarathon des EU-Anwärters Serbien wegen ungelöster bilateraler Probleme zu bremsen, sondern vor allem durch den Dauerwahlkampf in beiden Staaten. Seit Kroatiens Präsidentschaftswahlen Anfang 2015 haben nationalistische Töne im Adriastaat wieder Konjunktur. Ob Aufmärsche von Kriegsveteranen in Ustascha-Uniformen oder der tausendfach skandierte Ustascha-Gruß „Für die Heimat bereit“ in Fußballstadien: Nicht nur Belgrad, sondern auch Minderheiten in Kroatien werfen Zagreb vor, die faschistische Vergangenheit des Landes zu verharmlosen – und zu verherrlichen. Zwar hat sich Kroatiens Rechtsregierung ein halbes Jahr nach Amtsantritt bereits wieder ins Aus manövriert. Doch die anstehenden Neuwahlen am 11. September erhöhen die Versuchung, im Stimmenstreit mit markigen Seitenhieben gegen Serbien zu punkten.

Auch in Serbien werden die Legislaturperioden stets kürzer – und verführen Politiker zu nationalistischen Ausfällen gegen die Nachbarn. So ist Außenminister Dačić die Sicherung seines Sessels bei der monatelangen Regierungsbildung nun zwar geglückt, doch der Chef der sozialistischen SPS will sich bereits für die Präsidentschaftswahl 2017 positionieren.

„Serbien und Kroatien sind wie siamesische Zwillinge, die sich nicht ertragen“, analysiert der Belgrader Publizist Svetislav Basara. In beiden Ländern endeten alle Versuche der Modernisierung mit der „unvermeidlichen Rückkehr zu längst toten Mustern: jenen der Ustascha und der Tschetniks“. (tro)

("Die Presse", Print-Ausgabe, 23.08.2016)

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