Merkel will mit Kraftakt EU aktivieren

Neuauflage des Dreiergipfels: François Hollande, Angela Merkel und Matteo Renzi trafen sich am Montag in Italien.
Neuauflage des Dreiergipfels: François Hollande, Angela Merkel und Matteo Renzi trafen sich am Montag in Italien.(c) APA/AFP/JOHN MACDOUGALL
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Bei einem Dreiertreffen mit Renzi und Hollande begann eine neue deutsche Initiative zur Flüchtlingskrise, zur Wirtschaftspolitik und zur Lösung der offenen Brexit-Fragen.

Berlin/Rom. Angela Merkel setzt gern auf Zeit. Doch mittlerweile ist der Berg an Problemen, mit denen die EU fertig werden muss, selbst für die deutsche Bundeskanzlerin zu hoch. Mit einem Marathon an Gesprächen will Merkel diese Woche deshalb endlich wieder Bewegung in die festgefahrene Gemeinschaft bringen. Wohin die Reise gehen soll, wurde bereits am Montag bei einem Treffen mit dem französischen Staatspräsidenten François Hollande und dem italienischen Ministerpräsidenten Matteo Renzi auf der Insel Ventotene vor Neapel deutlich.

Nach dem Schock des britischen Referendums, soll die EU rasch wieder handlungsfähiger werden: in der Flüchtlingspolitik, mit neuen Initiativen in den nordafrikanischen Herkunftsländern; in der Sicherheitspolitik mit einem koordinierten Vorgehen in Syrien; in der Wirtschaftspolitik mit weiteren arbeitsmarktfördernden Maßnahmen. Mit einer symbolträchtigen Pressekonferenz auf dem italienischen Flugzeugträger Garibaldi sollte auch ein sicherheitspolitisches Signal gesetzt werden. Der Austritt Großbritanniens dürfe das militärische Potenzial der EU nicht schwächen, hieß es zuletzt aus Brüssel. Der Dreiergipfel wollte deutlich machen, dass Europa auch militärisch präsent bleiben wird.

Merkels Initiative darf nicht darüber hinwegtäuschen, dass nicht einmal unter den drei verbliebenen großen EU-Nationen Einigkeit herrscht. So fordert Italiens Ministerpräsident Renzi eine weitere Lockerung des Euro-Stabilitätspakts. Frankreichs Staatspräsident Hollande hat ähnliche Interessen, die für Berlin bisher ein klares Tabu waren. Merkel wiederum ficht mit ihrer Forderung nach einer gerechten Aufteilung der Flüchtlinge innerhalb der EU nach wie vor einen weitgehend einsamen Kampf, der nur aus Eigeninteresse von Rom unterstützt wird. Derzeit versorgt das Land 130.000 Menschen, die über das Mittelmeer nach Süditalien gelangt sind.

Visegrád-Länder als Hürde

Die deutsche Kanzlerin will nach dem Dreiergipfel noch diese Woche nach Estland, Tschechien und Polen reisen, um für einen Zusammenhalt in der Flüchtlingskrise zu werben. Ein Durchbruch wird nicht erwartet. Am Freitag wird sie in Warschau mit den Regierungschefs der Visegrád-Länder – darunter Ungarns Ministerpräsident Viktor Orbán – zusammentreffen. Sowohl Polen, Tschechien, die Slowakei als auch Ungarn lehnen eine Aufteilung von Flüchtlingen strikt ab. In Ungarn findet am 2. Oktober ein Referendum zur Frage statt, ob das Land künftig Flüchtlinge aus der EU übernehmen soll. Es wird mit einer klaren Ablehnung gerechnet. Merkel kann in dieser Runde am ehesten auf die Unterstützung Prags rechnen. Die tschechische Regierung hatte, obwohl sie in der Flüchtlingspolitik nicht einlenken will, zuletzt eine gemeinsame Front gegen Berlin öffentlich klar abgelehnt.

Nach ihrer Rundreise wird Merkel am Ende der Woche zahlreiche weitere EU-Regierungschefs auf Schloss Meseberg empfangen. Noch am Freitag ist eine Runde mit den Ministerpräsidenten der Niederlande, Schwedens, Finnlands und Dänemarks geplant. Am Samstag steht ein Treffen mit den Regierungschefs Sloweniens, Bulgariens und Kroatiens auf dem Programm. Zudem wird die deutsche Bundeskanzlerin auch ihren österreichischen Amtskollegen, Christian Kern, treffen.

Merkel versucht mit ihrer diplomatischen Initiative, neue Allianzen in der EU auszuloten. Angetrieben wird sie auch aus innenpolitischer Bedrängnis. Sie muss Erfolge bei der von ihr forcierten europäischen Flüchtlingspolitik vorweisen, um den immer lauter werdenden Abschottungsrufen von CSU und AfD entgegenzutreten.

Auf einen Blick

EU-Marathon. Deutschlands Bundeskanzlerin Angela Merkel trifft diese Woche insgesamt 16 Amtskollegen aus EU-Partnerländern. Sie will neue Allianzen in der Sicherheitspolitik, aber auch in der Flüchtlingspolitik ausloten. Am Samstag ist ein Treffen mit dem österreichischen Bundeskanzler, Christian Kern, auf Schloss Meseberg geplant.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 23.08.2016)

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