Brexit-Verhandler Barnier ist kein Freund der City

Michel Barnier wird ab 1. Oktober ein Team für die Verhandlungen aufbauen.
Michel Barnier wird ab 1. Oktober ein Team für die Verhandlungen aufbauen.(c) Die Presse (Clemens Fabry)
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Der Franzose Michel Barnier ist Pro-Europäer, Tory-Kritiker, aber auch ein ehrgeiziger Pragmatiker.

Brüssel/Wien. Michel Barnier hat Stil. Der ehemalige EU-Binnenmarktkommissar würde gut in die gediegene Atmosphäre eines Londoner Klubs passen. Doch inhaltlich ist der von Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker nominierte Brexit-Verhandler für die britische Regierung eine schwierige Vorgabe. Wenn er am 1. Oktober sein Amt antritt und einige Monate später die Gespräche beginnen wird, kann sich sein unmittelbares Gegenüber, der 67-jährige Brite David Davis, auf schwierige Zeiten einstellen.

„No friend of the City“, titelte die britische Tageszeitung „The Telegraph“. Der konservative Franzose ist in London alles andere als gut angeschrieben. Zum einen, weil er als EU-Binnenmarktkommissar zahlreiche Reformen durchsetzte, die dem liberalen Londoner Finanzplatz ein enges regulatorisches Korsett angelegt haben. 2013, als er noch als EU-Kommissar London einen Besuch abstattete, drohte er offen damit, dass Großbritannien aus dem Binnenmarkt ausscheiden müsse, sollte es die Auflagen zur Stabilisierung der Finanzmärkte nicht akzeptieren. Zum anderen ist Barnier alles andere als ein Freund der europaskeptischen Tories. Der erfahrene französische Politiker hat sich selbst in seiner eigenen Partei gegen alle EU-kritischen Gruppen gestellt. Für ihn sind Forderungen nach einem nationalen Alleingang schlicht unverständlich.

Barnier ist ein pragmatischer und erfahrener Verhandler. Als Kenner des EU-Binnenmarkts weiß er die Trümpfe gegen London gut auszuspielen. Möchte Großbritannien weiterhin an dem riesigen Markt mit seinen 504 Millionen Konsumenten partizipieren, wird die Regierung unter Premierministerin Theresa May nicht nur dessen Regeln akzeptieren müssen, sondern auch dessen Weiterentwicklung. Dies müssten die Briten auch, wenn sie gemeinsam mit Norwegen, der Schweiz und weiteren Ländern der Efta neues Leben einhauchen oder eine Anbindung an die EU über ein umfassendes Handelsabkommen anstreben würden. Größter Streitpunkt der Verhandlungen, das wissen beide Seiten, wird die künftige Anbindung des Finanzplatzes London an den EU-Markt sein. Geschenke wird es dabei keine geben, denn nicht nur Paris und Berlin hoffen, dass Finanzdienstleister der City den Rücken kehren, und in ihre Länder übersiedeln.

Zwei EU-Verhandler

Viel wird davon abhängen, ob Barnier als Verhandler der EU-Kommission weitgehend freie Hand bekommt. Der Rat der EU (Vertretung der EU-Regierungen) hat mit dem Belgier Didier Seeuws ebenfalls einen Verhandler nominiert. Der Chefberater des ehemaligen EU-Ratspräsidenten, Herman Van Rompuy, gilt ebenso wie Barnier als selbstbewusster Gesprächspartner. Ob das Duo funktioniert, ist noch eine der großen Risken auf EU-Seite.

Barnier ist gut vernetzt. Der ehemalige Umwelt-, Landwirtschafts-, Europa- und Außenminister Frankreichs verfügt nicht nur über eine breite politische Erfahrung, er kennt auch die meisten Partner in den EU-Hauptstädten. Juncker hat ihm versprochen, dass er sich ab Oktober ein eigenes Team aufbauen kann. Er soll „die besten Kommissionsexperten zu seiner Verfügung haben“.

Für Barnier ist die Nominierung als Brexit-Verhandler eine Rehabilitation, nachdem seine Kandidatur zum Kommissionspräsidenten 2014 fehlgeschlagen ist. Der ehrgeizige Marathonläufer und Bergsteiger galt nie als schillernder Politiker, aber was er übernahm, funktionierte. Noch heute erzählt Barnier gern, wie er gemeinsam mit Jean-Claude Killy erfolgreich die Olympischen Winterspiele 1992 in seiner Heimatregion Albertville organisiert hat.

Den Briten einen Franzosen als Verhandlungsführer der EU vorzusetzen, sei ein „kriegerischer Akt“, schreibt das Brüsseler Magazin „Politico“. Wer ihn freilich kennt, weiß, Barnier denkt zwar in Kategorien französischer Politik, aber noch viel wichtiger ist ihm, diese schwierigen Verhandlungen zu einem erfolgreichen Ende zu bringen. Daran zu scheitern, wäre ein persönlicher Misserfolg.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 25.08.2016)

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