Wien droht, Budapest bleibt entspannt

MINISTERRAT: SOBOTKA
MINISTERRAT: SOBOTKA(c) APA/HERBERT NEUBAUER
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Der ungarische Außenminister bleibt bei seinem Nein zu den Dublin-Rücknahmen.

Wien. Vielleicht ist es ihm nur rausgerutscht, vielleicht war es sogar geplant: Jedenfalls drohte Innenminister Wolfgang Sobotka (ÖVP) am Mittwochmorgen eher nebenbei im ORF-Radio der ungarischen Regierung mit einer Klage vor dem EuGH. „Wenn Staaten oder eine Staatengemeinschaft permanent das Recht bricht“, müssen diese „auch rechtlich mit Konsequenzen rechnen“, sagte Sobotka im Ö1-„Morgenjournal“. Nachsatz: „Die Republik muss darauf schauen, dass die Europäische Union die Gesetze einhält. Punkt.“ Zur Not müsse man das eben einklagen.

Hintergrund der Debatte: In Österreich befinden sich noch immer rund 6000 Flüchtlinge, die laut Dublin-Verordnung nach Ungarn rückgeführt werden sollen. Sie wurden im Nachbarland registriert, einige davon auch in anderen Ländern, doch die Regierung in Budapest weigert sich vehement, die Menschen aufzunehmen. Nach einer Frist von sechs Monaten fallen sie damit in Österreichs Zuständigkeitsbereich.

Österreich „geht einen Irrweg“

In Budapest reagiert man auf die österreichische Drohung relativ entspannt: Der ungarische Standpunkt bleibe unverändert, lässt Außenminister Péter Szijjártó der „Presse“ ausrichten. Man nehme keine Flüchtlinge auf, die vor ihrer Einreise in Ungarn schon mehrere sichere Länder betreten haben. Außerdem halte man sich an EU-Regeln, schließlich schütze man die Außengrenze: „Jeder, der ein Land kritisiert, das Europa – und damit auch Österreich – schützt, geht einen Irrweg.“

Die von Ungarn erwähnten EU-Regeln sehen vor, dass Flüchtlinge in jenes Mitgliedsland zurückgeschickt werden können, in dem sie erstmals den Boden der Gemeinschaft betreten haben. Für viele Flüchtlinge wäre das Griechenland. Allerdings gibt es EuGH-Entscheidungen, die eine Rückführung in dieses völlig überlastete Aufnahmeland verhindern. Ungarn kann sich deshalb nicht völlig seiner Verantwortung entziehen. Die Dublin-Verordnung enthält jedoch weitere Klauseln, die zur Anwendung kommen können. So ist für eine Aufnahme auch jenes Land zuständig, in dem sich bereits Familienangehörige legal befinden. Hat Österreich also einer Familie aus Syrien bereits Asyl gewährt, ist es auch für Anträge von weiteren Angehörigen zuständig. (ag./cu/wb)

("Die Presse", Print-Ausgabe, 08.09.2016)

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