Handelsabkommen. Nach SPÖ-Mitgliederbefragung wird der Spielraum klein.
Wien/Brüssel. Österreich droht mit seiner kritischen Haltung zum EU-Handelsabkommen mit Kanada innerhalb der Union allein zu bleiben. Einzige Hoffnung für Bundeskanzler Christian Kern, der die SPÖ-Parteimitglieder bis gestern, Montag, über den rund 1600 Seiten langen Vertrag abstimmen ließ, war bis zuletzt Deutschland. Dort stimmte am Montag der SPD-Konvent dem Abkommen mit wenigen Vorbehalten zu.
Die meisten EU-Mitgliedstaaten stehen hinter dem Vertrag, der über fünf Jahre verhandelt wurde und einen Abbau von Zöllen und Handelshemmnissen sowie einen Rechtsschutz für Investoren vorsieht. Zwölf EU-Regierungen wandten sich vergangene Woche an die EU-Kommission und riefen dazu auf, das Abkommen wie geplant bei einem EU-Kanada-Gipfel am 27. und 28. Oktober unter Dach und Fach zu bringen. Bis dahin sollen alle EU-Regierungen einer vorläufigen Anwendung des Abkommens zustimmen. Erst danach erfolgt die Ratifizierung durch das Europaparlament und durch die nationalen Parlamente. Im Brief der zwölf, der von den skandinavischen Ländern, baltischen Ländern, aber auch von Irland, Spanien und Portugal unterzeichnet wurde, argumentieren die Ceta-Befürworter, dass Europa durch die Abkommen mit Kanada und den USA die Handelsregeln für das 21. Jahrhundert mitgestalten könne.
Um Kritikern in Deutschland und Österreich entgegenzukommen, zeigt sich die kanadische Regierung zuletzt bereit, dem Vertrag eine „gemeinsame, rechtsverbindliche Erklärung“ hinzuzufügen. Sie soll laut dem kanadischen Regierungschef, Justin Trudeau, Klarstellungen enthalten, die den Forderungen der Gewerkschaften entgegenkommen würden. Eine Änderung des gesamten Vertrags lehnen hingegen sowohl die kanadische Regierung als auch die EU-Kommission und die Mehrheit der EU-Regierungen ab. Wirtschaftsminister und Vizekanzler Reinhold Mitterlehner (ÖVP) befürwortet die gemeinsame Erklärung. Er spricht von der Möglichkeit, Unklarheiten im Vertragstext nochmals zu präzisieren. Die Erklärung könnte etwa den Befürchtungen entgegentreten, Ceta würde zu einer Privatisierung und Aushöhlung öffentlicher Dienstleistungen führen oder neue Sozialstandards setzen. Kritiker sehen in Ceta die Gefahr, dass sich international agierende Konzerne in die nationale Gesetzgebung einmischen und Arbeitnehmerrechte untergraben werden.
Handelspolitische Reputation gefährdet
Mitterlehner übte am Montag bei einem Hintergrundgespräch scharfe Kritik an der Vorgangsweise der SPÖ. Die Befragung der SPÖ-Mitglieder über das Handelsabkommen zwischen Kanada und der EU hält der Vizekanzler für falsch. „Da steht die gesamte handelspolitische Reputation Österreichs auf dem Spiel. Dass ein Land wie Österreich mit 60 Prozent Exportanteil plötzlich von Handelsabkommen Abstand nimmt, wird uns international in Diskussion bringen.“
Kern versprach, dass er sich an das Ergebnis der internen SPÖ-Befragung halten werde, differenzierte aber: Aufgrund des EU-Rechtsrahmens habe man möglicherweise gar keine Option mehr, das Abkommen abzuändern, wenn nicht mehr Partner gefunden würden. Es könne auch sein, dass „wir ein klares Nein formulieren, und dort mit fliegenden Fahnen untergehen“. Der Bundeskanzler wird am Rande der UN-Vollversammlung noch einmal mit Kanadas Premier Trudeau Gespräche zu Ceta führen. (ag., red.)
("Die Presse", Print-Ausgabe, 20.09.2016)