EU-Kommission: Für die Favoriten eine alte Bekannte

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Barroso(c) REUTERS (VINCENT KESSLER)
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Wer wird österreichischer EU-Kommissar? Jeder Anwärter hat schon Erfahrungen mit der EU-Behörde gemacht. Mittlerweile sollen nur noch Molterer und Hahn im Rennen sein.

Wien. Wer wird österreichischer EU-Kommissar? Wie Donnerstagabend zu hören war, sind nur zwei Kandidaten, Wilhelm Molterer und Johannes Hahn, im Rennen. Hahns Sprecher meinte nach dem Erscheinen eines „Kurier“-Berichts, in dem Hahn als Kommissar gehandelt wurde: „Es ist ehrenhaft, genannt zu werden. Das Thema beschäftigt den Minister derzeit aber nicht.“

Kanzler Werner Faymann und Kommissionspräsident José Barroso sind der Antwort bei ihrem gestrigen Gespräch in Brüssel jedenfalls einen Schritt näher gekommen. Und sofern bis Ende Oktober nicht noch ein Überraschungskandidat ohne EU-Erfahrung aus der ÖVP-Personalreserve auftaucht, steht fest: Wer immer aus dem Favoritenkreis es wird – er oder sie hat bereits wichtige Erfahrungen mit der EU-Kommission gesammelt.

Das gilt nicht nur für Benita Ferrero-Waldner, seit 2004 Kommissarin für Außen- und Nachbarschaftspolitik. Der Kommissionschef schätzt ihre Loyalität und solide Arbeit. Echte Glanzleistungen hat sie nicht vollbracht. Eine Ausnahme bildet ihr Engagement für Hilfszahlungen an die Palästinenser oder ihr Beitrag zur Befreiung von fünf bulgarischen Krankenschwestern aus der Haft in Libyen.

Unesco: Ferrero vorerst Dritte

Ferrero hat sich auch als Unesco-Chefin beworben. Gestern abend erreichte keiner der Kandidaten die nötige absolute Mehrheit: Ferrero wurde Dritte, hinter dem Favoriten Farouk Hosni aus Ägypten und Irina Bokowa aus Bulgarien.

Eine alte Bekannte ist die EU-Kommission, die wichtigste EU-Behörde, auch für die Anwärter Johannes Hahn, Wilhelm Molterer, Ursula Plassnik und Maria Fekter – aber aus der Warte des EU-Rates, der Versammlung der Fachminister aller EU-Länder, die Vorschläge der Kommission absegnen muss.

Johannes Hahn kämpfte in Brüssel um die Inländerquote an den Medizin-Unis. Wilhelm Molterer hat in dem Gremium die meiste Erfahrung, und zwar in mehreren Ressorts. Er gilt deshalb auch als Favorit im Poker Österreichs um ein wichtiges Ressort. Er käme als Umwelt- oder Agrarkommissar in Frage. Vom EU-Beitritt 1995 bis 2000 war er im Landwirtschaftsministerrat, bis 2003 auch im Umweltministerrat vertreten. In dieser Zeit kämpfte er mit der EU-Kommission um strenge Regeln für das AKW Temelín, ehe Tschechien der EU beitreten durfte. Als Vizekanzler und Finanzminister 2007 und 2008 konnte er im Finanzministerrat zwar noch das Bankgeheimnis verteidigen, in der Zeit vollzog sich aber bereits die Wende zu mehr Austausch von Daten zwischen den Behörden aller EU-Länder.

Immer wieder in engem Kontakt mit der Kommission war auch Außenministerin Ursula Plassnik in ihrer Amtszeit von 2004 bis 2006, vor allem während der österreichischen EU-Präsidentschaft im ersten Halbjahr 2006. In diese Zeit fielen auch wichtige Fortschritte in den Beitrittsverhandlungen mit Kroatien und der Türkei. Sonst war die Türkei aber Zankapfel zwischen Plassnik und Erweiterungskommissar Olli Rehn: Österreich pochte darauf, dass die „Aufnahmefähigkeit“ der EU ein Kriterium für Erweiterungen sein müsse. Die Kommission sieht sich ihrem Versprechen gegenüber der Türkei verpflichtet, „ergebnisoffen“ zu verhandeln. Als Hardlinerin hat Plassnik nur Außenseiterchancen auf die Nachfolge Rehns.

Immer die nationale Linie betont hat Innenministerin Maria Fekter seit ihrem Amtsantritt in der Regierung 2008. In mehreren Sitzungen des Innenministerrats pochte sie auf die Kompetenz der Staaten, wenn es um die Aufteilung von Flüchtlingen oder Asylwerbern unter den EU-Staaten ging.

Die Kommission will eine gemeinsame Lösung – zum Beispiel mit Hilfe einer Quote. Von Fekter kam immer ein Nein – übrigens auch auf die Frage, ob sie Innenkommissarin werden wolle. Als solche wurde sie zuletzt in Wien gehandelt. Damit könnte sie aber auch ablenken wollen.

Das gilt auch für den ÖVP-Delegationsleiter im EU-Parlament, Ernst Strasser: 2004 bereits als Kommissar in den Startlöchern, musste er doch noch Ferrero-Waldner Platz machen, weil Barroso dringend Frauen brauchte. Die sucht er übrigens auch jetzt händeringend, wobei Österreich diesmal „aussetzen“ könnte. Und Strasser sich den Posten vielleicht endlich schnappt.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 18.09.2009)

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