EU-Verteidigung: Briten machen sich zusehends unbeliebt

U.S. paratroopers of the 173rd Airborne Brigade take part in sky jump ´Bayonet Strike´ excercise in Adazi
U.S. paratroopers of the 173rd Airborne Brigade take part in sky jump ´Bayonet Strike´ excercise in Adazi(c) REUTERS (INTS KALNINS)
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London kann eine Koalition der willigen EU-Mitglieder nicht verhindern. Drohpotenzial haben die Briten aber in der Frage des Umgangs mit der Schweiz.

Brüssel/Bratislava. Großbritannien will zwar nicht mehr EU-Mitglied sein, aber nach wie vor die Politik der Union mitbestimmen. Was wie ein klassisches Vorurteil klingt, bewahrheitete sich am gestrigen Dienstag in Bratislava: Beim informellen Treffen der EU-Verteidigungsminister kündigte der britische Ressortchef Michael Fallon an, sein Land werde alle Vorhaben blockieren, die eine Vertiefung der gemeinsamen Verteidigungspolitik zum Ziel hätten. Derartige Pläne würden die Nato „schlicht und einfach untergraben“, und diese sei schließlich der Grundpfeiler der europäischen Sicherheitsarchitektur. Großbritannien ist – wie auch 21 weitere EU-Staaten – Mitglied des Nordatlantikpakts. Nicht dabei sind lediglich Schweden, Finnland, Irland, Zypern, Malta und Österreich.

Es ist eine Position, die im Hauptquartier des Verteidigungsbündnisses nicht geteilt wird. Es gebe „keinen Widerspruch zwischen starker europäischer Verteidigung und einer starken Nato“, sagte Nato-Generalsekretär Jens Stoltenberg. Voraussetzung dafür sei allerdings, dass die EU nicht bereits im Rahmen des Nordatlantikpakts existierende Strukturen dupliziere, sondern Synergieeffekte ihrer Mitgliedstaaten nutze und sinnvolle Ergänzungen schaffe. Allerdings sind die Briten nicht die einzigen, die hinsichtlich einer EU-Verteidigungsunion skeptisch sind. Auch die litauische Staatspräsidentin, Dalia Grybauskaitė, hält die Idee einer EU-Armee für ein „Missverständnis“, wie sie es Mitte September am Rande des informellen Treffens der EU-27 in Bratislava formulierte.

Bei den osteuropäischen EU- und Nato-Mitgliedern gibt es Sorgen, dass eine verstärkte Zusammenarbeit innerhalb der EU die Sicherheitsgarantien der Nato verwässern könnte. Die bisher angedachten Maßnahmen sind davon allerdings meilenweit entfernt. Bis dato haben sich die 27 EU-Mitglieder bei ihrem ersten Treffen unter Ausschluss Großbritanniens lediglich auf erste zaghafte Schritte geeinigt: Unter anderem will man bei Forschungsprojekten, Transportlogistik, Satellitenaufklärung und im Sanitätsdienst kooperieren, angedacht ist auch die Schaffung eines permanenten EU-Hauptquartiers für zivile und militärische Einsätze – vor allem die letzte Idee dürfte den Briten missfallen haben.

Veto kann umschifft werden

Können die Briten eine Zusammenarbeit der Europäer blockieren? Das Drohpotenzial ist beschränkt, denn die EU-Verträge geben den Mitgliedstaaten im Bereich der Verteidigungspolitik die Möglichkeit der Bildung einer Koalition der Willigen – diese sogenannte Ständige Strukturierte Zusammenarbeit kann mit qualifizierter Mehrheit (also mindestens 55 Prozent der EU-Mitglieder mit mindestens 65 Prozent der EU-Bevölkerung) beschlossen werden. Londons Veto könnte also umgangen werden.

Anders stellt sich der Sachverhalt allerdings in einer Frage dar, die die EU in wenigen Monaten beschäftigen dürfte: Spätestens Anfang 2017 muss die Schweiz entscheiden, wie sie das Votum ihrer Bürger zur Einschränkung der Personenfreizügigkeit umzusetzen gedenkt. Kündigt Bern die Niederlassungsfreiheit für EU-Bürger auf, ist der Sachverhalt klar: Dann wird ein Gesamtpaket von Abkommen, die die Schweiz auf dem EU-Binnenmarkt partizipieren lassen (es heißt Bilaterale I), automatisch hinfällig. Problematischer wird es, wenn die Schweizer Regierung die Personenfreizügigkeit de facto einschränkt, zugleich aber behauptet, an ihrem Prinzip festzuhalten. Denn um die Bilaterale I ihrerseits aufzukündigen, benötigt die EU die Zustimmung aller Mitglieder – einschließlich Großbritanniens, das selbst Interesse daran hat, die Personenfreizügigkeit abzuschaffen.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 28.09.2016)

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