Ceta: Druck auf Wallonen nimmt zu

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Bis Ende der Woche will die belgische Regierung die Blockade des Handelsvertrags mit Kanada auflösen. In einigen EU-Partnerländern wächst der Unmut.

Luxemburg. Mit seinem Nein zum Handelsvertrag zwischen der EU und Kanada (Ceta) hat das wallonische Regionalparlament die Mitgliedstaaten in Geiselhaft genommen. Während die belgische Region von Ceta-Gegnern als letzte Bastion des Widerstands gefeiert wird, nimmt der Druck aus mehreren EU-Hauptstädten auf die Regionalregierung unter Paul Magnette zu. Nachdem die geplante Abstimmung von Ceta am Dienstag im Rat der Handelsminister wegen Walloniens Veto geplatzt war, zeigte sich der slowakische Ratsvorsitzende, Peter Ziga, verärgert. „Belgien hat die Europäische Union von Anfang an aufgebaut, die Handelspolitik war ein Hauptgrund für die Schaffung der Europäischen Union. Ich verstehe das nicht.“ Ziga warnte auch vor Folgeschäden für die EU: „Wenn wir uns nicht mit Kanada einigen können, mit wem denn dann?“

Das Nein der Wallonen hat tatsächlich auch weitere Länder dazu bewogen, die Ceta-Abstimmung noch in letzter Minute für die Durchsetzung eigener Interessen zu nutzen. Bulgarien und Rumänien, die ähnlich wie die meisten osteuropäischen Länder positiv zum Abkommen stehen, fordern noch vor Freitag eine Zusage Kanadas, dass ihre Bürger künftig ohne Visa in das nordamerikanische Land einreisen dürfen. Andernfalls wollen sie das Abkommen ebenfalls blockieren.

Am Donnerstag und Freitag werden die Staats- und Regierungschefs einen Ausweg aus der aktuellen Entscheidungskrise suchen. Der zuständige belgische Handelsminister, Didier Reynders, äußerte sich am Rande des Treffens mit seinen Amtskollegen in Luxemburg optimistisch, dass bis dahin eine Einigung mit dem französischsprachigen Landesteil gefunden werden kann. EU-Handelskommissarin Cecelia Malmström hofft ebenfalls, dass die Bedenken in den kommenden Tagen aus dem Weg geräumt werden können. „Wenn wir glaubten, das belgische Problem sei nicht zu lösen, dann würden wir uns nicht weiter engagieren“, sagte sie.

Die sozialdemokratisch geführte wallonische Regionalregierung muss mit Zuckerbrot und Peitsche rechnen. Zum einen könnten noch Umschichtungen im belgischen Haushalt vorgenommen werden, um die Region und deren Landwirtschaft besser zu fördern. Zum anderen dürfte der Vorsitzende der Regionalregierung, Paul Magnette, von Parteikollegen aus anderen Mitgliedstaaten unter Druck gesetzt werden, das Veto zurückzuziehen. Insbesondere, da die kanadische Regierung bereits die Glaubwürdigkeit der EU bei internationalen Verträgen angezweifelt hat. Auch der deutsche Wirtschaftsminister, Sigmar Gabriel, hat bereits zu einem Einlenken gedrängt.

Regierungsbeschluss in Österreich

Die österreichische Bundesregierung hat die vorläufige Teilnahme am Abkommen indessen per Rundlaufbeschluss abgesegnet. Bis Dienstagfrüh hätten alle Minister unterfertigt, hieß es aus dem Kabinett von Wirtschaftsminister Reinhold Mitterlehner. Der Ministerrat genehmigte neben Ceta auch die von Bundeskanzler Christian Kern eingeforderte Zusatzerklärung sowie „die einseitige Erklärung der Republik Österreich“. Ähnlich wie Deutschland legt Österreich darin fest, dass es sich das Recht nehme, die vorläufige Anwendung des Abkommens durch eine schriftliche Notifikation zu beenden. Außerdem will sich die Regierung bis zur Ratifizierung durch den Nationalrat für die Einrichtung eines multilateralen Investitionsgerichtshofs einsetzen, der alle in Handelsverträgen vereinbarte Schiedsgerichte ersetzen soll.

Der juristische Dienst des EU-Rats hat am Dienstag die deutsche Erklärung zum Abkommen gebilligt. Die Regierung in Berlin legte nach dem Ceta-Urteil des Karlsruher Verfassungsgerichts darin fest, dass sie sich das Recht nehme, nachträglich wieder aus dem Abkommen auszusteigen.

Sollte beim EU-Gipfel Ende der Woche eine politische Lösung für Ceta gefunden werden, ist kein Beschluss der Handelsminister mehr notwendig. Das Abkommen könnte dann von den EU-Botschaftern abgesegnet und beim EU/Kanada-Gipfel am 27. Oktober von allen Staats- und Regierungschefs unterzeichnet werden.

DER CETA-ZEITPLAN

20. und 21. Oktober. Die Staats- und Regierungschefs der EU werden in Brüssel bei ihrem regulären Herbstgipfel über eine politische Lösung zur Rettung des Handelsabkommens mit Kanada beraten.

27. Oktober. Bei einem EU/Kanada-Gipfel sollen alle Staats- und Regierungschefs der EU sowie der kanadische Premier, Justin Trudeau, das Abkommen unterzeichnen.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 19.10.2016)

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