Kommt mit Ceta nun TTIP durch die Hintertür?

Ceta und TTIP werden oft in einen Topf geworfen
Ceta und TTIP werden oft in einen Topf geworfenAPA/AFP/JOHN THYS
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Den beiden Abkommen – TTIP und Ceta – ist ein Ziel gemein: besserer Freihandel. Sonst sind sie schwer vergleichbar.

Während der Verhandlungen um den Handelspakt zwischen der EU und Kanada wurde von den Kritikern immer wieder darauf hingewiesen, dass Ceta der Türöffner für das geplante Abkommen mit den USA (TTIP) sei und jetzt über die Hintertür hereinkomme. Was ist dran an diesem Vorwurf; was unterscheidet die beiden Vereinbarungen wirklich, was haben sie gemeinsam? Hier die wichtigsten Argumente:

Gemein ist beiden Abkommen das Ziel: Es sollen Handelshindernisse abgeschafft und den Unternehmen ein leichterer Zugang zum jeweils anderen Markt gegeben werden – und zwar, grob gesagt, durch weniger Zölle und gleiche Normen bei Produkten und Ausschreibungen. Dadurch sollen der Freihandel gefördert und Arbeitsplätze und Wohlstand geschaffen werden, so die Intention.

Aber sonst wird es schon schwierig mit dem Vergleich. Denn die Interessen und Dimensionen sind völlig andere: Kanada ist bevölkerungsmäßig mit 35 Mio. Einwohner ein vergleichsweise kleines Land, auch die Wirtschaftsleistung ist deutlich geringer als jene der USA, Kanada belegt „nur“ den zwölften Platz unter den wichtigsten Handelspartnern der EU. Die Europäer sind hingegen zweitwichtigster Partner der Kanadier. Die USA sind dagegen ein Wirtschaftsgigant: Die Wirtschaftsleistungen der EU und der USA sind riesig, zusammen machen sie fast die Hälfte des weltweiten Bruttoinlandsprodukts aus und entsprechen einem Drittel des Welthandels.

Jahrelang wurde verhandelt

Und dann ist da noch der große Zeitunterschied, der die beiden Pakte so schwer vergleichbar macht. Ceta ist fertig und unterschriftsreif. Mit Kanada hat die EU sieben Jahre verhandelt. Über TTIP wird dagegen erst seit zwei Jahren verhandelt. Da die Gespräche zuerst geheim geführt wurden, war lange Zeit offiziell kaum etwas bekannt; mittlerweile sind einige der bisher besprochenen Teile veröffentlicht worden. Da die Agenda mit den USA weit umfangreicher ist, wird TTIP auch viel länger dauern, nicht zuletzt wegen der nun konkret vorliegenden Ceta-Vorgabe. Zum Vergleich: Über das Abkommen mit den Pazifikländern (TPP) verhandeln die USA seit sieben Jahren. Und schließlich ist auch nicht sicher, ob der/die neue Präsident(in) in den USA TTIP pushen wird oder gleiten lässt.

In Kanada sind die Interessen zudem anders gelagert, dort gibt es nur wenig global bestimmende Unternehmen, Kanada hat eine sozialliberale Regierung. Die Supermacht USA hat wiederum zahlreiche dominierende Weltkonzerne, auch in digitalen Zukunftsbranchen. Zudem spielt die Landwirtschaft in den USA eine weit größere Rolle als in Kanada; in diesem Punkt könnte daher stärkere Beharrlichkeit aus den USA zu erwarten sein.
Ein zentraler Kritikpunkt ist, dass die Abkommen europäische Verbraucherstandards aufweichen könnten.Bei Ceta ist das jetzt geklärt, im Sinne der Europäer. Im Bereich der heiklen Gentechnik bleiben etwa die europäischen Beschränkungen für genmanipulierte Lebensmittel weitgehend unangetastet. Wieweit sich diese Vertragsklauseln auch gegenüber den USA – wo Gentechnik weit lockerer gesehen wird – durchsetzen lassen, ist offen, die Verhandlungen sind erst am Beginn.

Einen Kulturunterschied zwischen Europa und Amerika gibt es auch beim Thema Vor- und Nachsorge. In der EU gilt das Vorsorgeprinzip; dabei wird vor der Markteinführung eines Produkts der Nachweis verlangt, dass es ungefährlich ist. In den USA – und mit etwas weniger Konsequenz – auch in Kanada gilt im Grundsatz das Nachsorgeprinzip. Produkte dürfen erst einmal auf den Markt kommen. Ist dann bewiesen, dass sie schädlich sind, haften die Unternehmen. Es geht also um Abschreckung durch Schadenersatz. Bei Ceta konnten sich in Fragen der Lebensmittelsicherheit die Europäer weitgehend durchsetzen; bei TTIP ist das noch offen.

Beim heiklen Investorenschutz wurde der Text von Ceta in den letzten Verhandlungsmonaten noch im EU-Sinne abgeändert. Es gibt nun ständige öffentliche Gerichtshöfe. Bei den noch in den Anfangsrunden befindlichen TTIP-Gesprächen mit den weit mächtigeren USA sind die Verhandler auch in dieser Frage noch weit auseinander.

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