Vertrauen in Medien EU-weit eingebrochen

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Themenbild(c) REUTERS (� Christian Charisius / Reuters)
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57 Prozent der EU-Bürger glauben, dass Zeitungen und Rundfunk politisch beeinflusst werden. Österreicher vertrauen ihren Journalisten, Franzosen misstrauen ihnen.

Brüssel. „Lügenpresse, halt die Fresse“ – diese und ähnliche Beschimpfungen bekommen Medienvertreter seit einiger Zeit immer wieder (und öfter) zu hören. Parallel zum Aufschwung populistischer Parteien in Europa ist das Vertrauen in die traditionellen Überbringer von Nachrichten sukzessive erodiert. So ergab eine im Vorfeld des britischen EU-Austrittsreferendums publizierte Umfrage, dass Journalisten als ähnlich vertrauensunwürdig gelten wie Immobilienmakler – nur Politikern vertrauen die Briten noch weniger. Insofern verwundert es nicht, dass die britischen Wähler im Juni alle medial kolportierten Warnungen in den Wind schlugen und für den Brexit stimmten.

Die EU-Kommission hat nach dem britischen Austrittsvotum eine Tiefenmessung der Haltung gegenüber Medien in Auftrag gegeben. Deren Ergebnis ist eine am gestrigen Donnerstag veröffentlichte Eurobarometer-Umfrage, bei der EU-weit knapp 28.000 Personen dazu befragt wurden, was sie denn von alten und neuen Informationskanälen halten. Die Antworten offenbaren eine Vertrauenskluft zwischen den Bürgern und der „Vierten Gewalt“. Die Probleme fangen bei der Unparteilichkeit an. Deutlich mehr als die Hälfte aller EU-Bürger geht davon aus, dass die aktuelle Berichterstattung politisch beeinflusst wird – beim öffentlich-rechtlichen Rundfunk waren 60 Prozent der Befragten dieser Meinung, bei den nationalen Medienunternehmen insgesamt waren es 57 Prozent. Die Gräben diesbezüglich verlaufen zwischen den sozialen Schichten: Besonders misstrauisch gegenüber den Medien sind Arbeitslose, Arbeiter, Hausfrauen und Selbstständige, während Manager, Studenten und Pensionisten tendenziell weniger skeptisch waren.

Böses Omen für Wahlen in Frankreich

Das relativ größte Vertrauen in die politische Unabhängigkeit der eigenen Journalisten hatten Finnen (78 Prozent), Dänen und Niederländer (je 61 Prozent) – sowie Österreicher mit 54 Prozent. Was die Unabhängigkeit des ORF anbelangt, war das Vertrauen mit 48 Prozent etwas geringer ausgeprägt, aber immer noch deutlich über dem EU-Durchschnitt von 35 Prozent. Auf der anderen Seite des Vertrauensspektrums befinden sich mit Griechenland, Spanien und Zypern jene Länder, in denen die Eurokrise voll eingeschlagen hat – sowie Frankreich. Die Eurobarometer-Ergebnisse für das zweitgrößte Mitglied der Eurozone sind ein böses Omen für die im Frühjahr 2017 stattfindende Präsidentenwahl, bei der Marine Le Pen vom rechtspopulistischen Front National aller Voraussicht nach in die zweite Wahlrunde einziehen dürfte. So hielten 69 Prozent der befragten Franzosen die französischen Medien für politisch befangen – hinter Griechenland und Spanien der dritthöchste Wert in der gesamten EU. Auch was den generellen Wahrheitsgehalt der Nachrichten anbelangt, waren die Franzosen besonders unzufrieden: 63 Prozent schenkten den Berichterstattern keinen Glauben – nur in Griechenland war das Misstrauen mit 73 Prozent größer. In Österreich waren lediglich 26 Prozent der Befragten dieser Meinung.

Apropos Glauben: Als das „ehrlichste“ Medium gilt das Radio. EU-weit vertrauen 66Prozent der Befragten dem Hörfunk; Fernsehen und Printmedien gelten für 55 Prozent der EU-Bürger als glaubwürdig. Und nur 32 Prozent glauben, dass soziale Medien wie Facebook oder Twitter vertrauenswürdig sind. Detail am Rande: Österreich ist der einzige Mitgliedstaat, in dem die Mehrzahl der Befragten (konkret 52Prozent) regelmäßig an Debatten in Onlineforen teilnimmt.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 18.11.2016)

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