Ein Fonds soll die EU beschützen

(c) APA/OLIVIER HOSLET
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Die EU-Kommission schlägt die Schaffung eines mit fünf Milliarden Euro dotierten Verteidigungsfonds vor, um gemeinsame Rüstungsprojekte anzukurbeln.

Brüssel. Gemeinsame Verteidigungspolitik beginnt beim Scheckbuch. Am gestrigen Mittwoch stellte die EU-Kommission ihre Pläne zur Schaffung eines Verteidigungsfonds vor, der die Forschung und Entwicklung von Waffensystemen fördern und gemeinsame Anschaffungen der Mitgliedstaaten kofinanzieren soll. Der für die Materie zuständige Kommissionsvizepräsident, Jyrki Katainen, bemühte sich bei der gestrigen Präsentation tunlichst, den Eindruck zu zerstreuen, seine Behörde plane die Schaffung neuer Strukturen: „Wir sind nicht da, um eine Armee vorzuschlagen“, versicherte Katainen.

Nach dem Fiasko einer gemeinsamen Armee in den Anfangszeiten des europäischen Projekts Mitte der 1950er-Jahre – die Idee war damals am französischen Veto gescheitert –, hatte man in Brüssel lange auf die integrative Kraft des Binnenmarkts gesetzt. Dass die Kommission die Verteidigungspolitik wiederentdeckt hat, hat mindestens drei Gründe. Erstens ist das Image der gemeinsamen Wirtschafts- und Währungspolitik momentan etwas angekratzt. Zweitens zwingt die unsichere Lage jenseits der EU-Außengrenzen die Mitgliedstaaten dazu, enger zusammenzurücken.

Und seit drei Wochen gibt es mit Donald Trump einen weiteren Grund. Der Sieger der Präsidentenwahl will nicht mehr akzeptieren, dass die US-Streitkräfte Europa verteidigen, während die europäischen Nato-Partner bei den Verteidigungsausgaben sparen. In der Tat erfüllt derzeit nur eine Minderheit der Nato-Mitglieder die vereinbarte Vorgabe, mindestens zwei Prozent der Wirtschaftsleistung für die Verteidigung aufzuwenden. 2015 waren es nach Berechnungen des Stockholmer Instituts Sipri neben den USA lediglich die Atommächte Großbritannien und Frankreich sowie Griechenland, Estland und Polen. EU-Schwergewicht Deutschland bleibt selbst mit der beschlossenen Anhebung der Verteidigungsausgaben vorläufig unter der Zwei-Prozent-Marke. Mehr sichtbare Anstrengung tut also not.

Rechnet man alle Mitgliedstaaten zusammen, gibt die EU mehr für die Verteidigung aus als alle anderen Staaten mit Ausnahme der USA. Das Problem aus Brüsseler Sicht sind Doppelgleisigkeiten – nach Kommissionsschätzungen werden pro Jahr 25 Mrd. Euro für redundante Kapazitäten vergeudet. Der gestern vorgestellte Verteidigungsfonds soll dem gegenwirken, indem er als Plattform für gemeinsame Rüstungsprojekte der Mitgliedstaaten dient – etwa die Anschaffung von Hubschraubern oder Drohnen. Die Kommission würde dabei als zentrale Anlaufstelle dienen und keine eigenen Gelder zur Verfügung stellen – wobei die Brüsseler Behörde die Möglichkeit offenlassen will, einzelne Verteidigungsprojekte über gemeinsam ausgegebene Anleihen zu finanzieren. Es ist eine Idee, die nicht überall gut ankommt: Der deutsche Europaabgeordnete Markus Ferber (CDU) sprach gestern von einem „schlecht getarnten Vorschlag zur Einführung von Eurobonds“.

Bevorzugte Behandlung

Nach den Vorstellungen der Kommission soll der Fonds mit jährlich fünf Mrd. Euro dotiert werden – wobei das exakte Volumen kommendes Jahr im Zuge einer Studie ermittelt werden soll. Um die EU-Mitglieder zur Kooperation zu bewegen, hat sich die Brüsseler Behörde ein weiteres Zuckerl einfallen lassen: Projekte, die über den Verteidigungsfonds finanziert werden, sollen im Rahmen des Stabilitätspakts als „einmalige Ausgaben“ anerkannt werden. Damit wären sie aus der Berechnung der Budgetdefizite ausgeklammert.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 01.12.2016)

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