Harte Fronten im Streit um EU-Waffenrecht

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Die EU-Kommission und ein Teil der EU-Abgeordneten fordern strengere Regeln für Waffenhandel, Waffenbesitz und Einschränkungen bei halbautomatischen Waffen. Die Waffenlobby läuft dagegen Sturm.

Brüssel/Wien. Nach den Anschlägen in Paris und Brüssel war rasch ein Entwurf für ein strengeres Waffenrecht in der EU auf dem Tisch. Es sollte den Missbrauch verhindern und einzelne Waffengattungen aus dem freien Verkauf verbannen. Doch nach vielen Monaten Verhandlungen haben sich die Befürworter und Gegner strengerer Regeln in ihren Fronten eingegraben. Eine Verhandlungsrunde diese Woche in Brüssel scheiterte deshalb erneut. Ob – wie geplant – bis Ende des Jahres noch ein Kompromiss zwischen EU-Kommission, EU-Parlament und Vertretern der Mitgliedstaaten gefunden werden kann, ist fraglich. Die EU-Kommission, Sozialdemokraten, Grüne und linke Abgeordnete kämpfen weiter für Verschärfungen, ein Teil der Christdemokraten, konservative und rechte Gruppen im Europaparlament forcieren ein liberales Waffenrecht, und die Waffenlobby versucht, die Vorschläge gleich zur Gänze zu kippen.

Worum geht es? Mit der Feuerwaffenrichtlinie sollen der Besitz, Verkauf und Handel von Waffen strenger geregelt werden. Auch für die sicherere Lagerung soll es neue Auflagen geben. Waffenbesitzer müssten künftig EU-weit regelmäßig überprüft werden. Da Österreich in diesem Punkt bereits eine behördliche Kontrolle alle fünf Jahre vorschreibt, gibt es dabei keinen Anpassungsbedarf. Problematischer ist für heimische Sport- und Jagdschützen hingegen möglicherweise eine Neuregelung, die sich mit der Deaktivierung von Waffen beziehungsweise deren Umbau befasst. Die EU-Kommission möchte, dass Waffen nicht mehr unbürokratisch aus dem Verkehr gezogen und dann illegal weiterverkauft werden. Sie argumentiert, dass solche Waffen bei Terrorangriffen wie jenen auf die Pariser Filiale von Hyper Casher, einen koscheren Supermarkt, verwendet wurden. Derzeit, so ihr begründeter Verdacht, werden deaktivierte Waffen im Internet weiterverkauft. Gemeinsam mit ebenfalls frei gehandelten Waffenteilen werden sie rasch wieder zu aktiven Waffen umgebaut. Solche Regelungen würden den Handel im Internet, aber vor allem den Handel mit Waffenersatzteilen künftig deutlich erschweren.

Der ursprüngliche Plan der Kommission, halbautomatische Feuerwaffen, die teilweise auch von Sportschützen genutzt werden, gänzlich zu verbieten, ist zwar vom Tisch. Doch nun geht es um Beschränkungen in dieser Waffenkategorie – etwa die Reduzierung der verwendeten Magazine auf wenige Kugeln. Halbautomatische Waffen, die durch einen Umbau aus vollautomatischen Waffen entstanden sind, sollen gänzlich verboten werden.

„Ungeeigneter Vorschlag“

Massiver Widerstand gegen das gesamte Paket kommt von der Waffenlobby. Der Organisation Firearms United ist es gelungen, den Widerstand zu bündeln. Sie veranstaltete im November eine Konferenz in Brüssel, bei der sie jene EU-Abgeordneten einlud, die sie für ein liberales Waffenrecht hinter sich glaubt. Tomasz Stepien, Vorsitzender von Firearms United, forderte in einer Presseaussendung zur Konferenz, den Gesetzesvorschlag zurückzuweisen. „Die EU-Kommission versucht weiterhin, ihren Vorschlag durchzupeitschen, obwohl sämtliche verfügbaren Daten klar belegen, dass er in keiner Weise zur Bekämpfung von Terrorismus, Senkung der Mordrate oder Verhinderung von Massakern geeignet ist.“

Begleitet wird der offizielle Vorstoß der Waffenlobby von Massenmails und Stimmungsmache von Waffenbesitzern in sozialen Medien. Ins Visier geraten dabei vor allem jene EU-Abgeordneten, die sich nach wie vor für ein verschärftes Waffengesetz einsetzen. „Es traut sich derzeit kaum noch jemand, öffentlich Stellung zu nehmen, denn sofort wird er attackiert“, so ein Vertreter des Europaparlaments. Druck kommt zudem von rechten Gruppen, die sich statt für eine Verschärfung für eine Liberalisierung des Waffenrechts aussprechen. „Für viele Haushalte bringt es große Vorzüge, mehrere Waffen zu besitzen“, argumentierte etwa Bruno Gollnisch, EU-Abgeordneter des Front National.

Vicky Ford, die Berichterstatterin des EU-Parlaments für die Neuregelung, setzt trotz der aufgeheizten Stimmung auf einen Kompromiss: „Ich habe mit Jägern, Museumsleitern und Schießsport-Funktionären zusammengearbeitet, um ihre Aktivitäten weiterhin zu ermöglichen, allerdings unter strenger Kontrolle, die die besten Praktiken in Europa vereint und außerdem den Informationsaustausch zwischen EU-Behörden erlaubt.“ (wb)

("Die Presse", Print-Ausgabe, 07.12.2016)

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