Feldzug gegen „völlig korrupte“ Parteienlandschaft

Rumänien. Die neue Partei Union Rettet Rumänien mischt das Land auf: Am Sonntag könnte sie aus dem Stand drittstärkste Kraft werden. Die Bewegung kämpft dabei gegen ein altes Übel im Karpatenstaat: Korruption.

Timisoara. Glühweinschwaden durchziehen den Weihnachtsmarkt in Timisoara (Temesvar), die Polizeikapelle stimmt den Radetzkymarsch an, und der 44-jährige Unternehmer Radu Lupan, ein Politnovize, wirbt für die Partei Union Rettet Rumänien (USR), die am Sonntag erstmals bei Parlamentswahlen antritt. Ein Passant wehrt den URS-Flugzettel ab: „Glauben Sie wirklich, dass es in Rumänien noch etwas zu retten gibt? Hier haben sie doch längst alles gestohlen, was es zu stehlen gibt.“

Noch vor wenigen Wochen wäre es für den grauhaarigen Familienvater Lupan unvorstellbar gewesen, dass er sich einmal selbst in Rumäniens berüchtigten Politmorast wagen würde. Wegen der „alle Bereiche durchdringenden Korruption“ hatte der Unternehmer selbst Geschäfte mit staatlichen Institutionen stets vermieden. Als Initialzündung für seinen späten Politikeinstieg nennt der nunmehrige Parlamentskandidat die Kommunalwahlen im Juni: „Erstmals wusste ich wirklich nicht mehr, wen ich noch wählen sollte. Ob links oder rechts: Alle der traditionellen Parteien sind völlig korrupt.“ Mit seiner Politikverdrossenheit ist Lupan nicht allein: In Timisoara wurde der Bürgermeister wegen der niedrigen Beteiligung nur mit den Stimmen von zwölf Prozent der Wahlberechtigten gewählt. In Bukarest sollte gleichzeitig der Überraschungserfolg einer neuen Protestpartei für landesweites Aufsehen sorgen: Mit 30 Prozent der Stimmen wurde die von Bürgerrechtsaktivisten gegründete Union Rettet Bukarest bei den Kommunalwahlen auf Anhieb zweitstärkste Kraft.

Lupan dachte sich, was in der Hauptstadt möglich sei, müsste auch in Timisoara machbar sein. Im Web sollte er Gleichgesinnte finden und bald einen Ortsverband der landesweiten USR gründen: „Die Zeit ist reif, die kritische Masse für Veränderung erreicht: Die Korruption saugt einfach zu viele Mittel in falsche Taschen ab.“

Korruption ist das Übel, an dem der Karpatenstaat schon seit dem blutigen Abschied vom Sozialismus krankt. Zwar gibt es seit 2002 die Nationale Antikorruptionsbehörde DNA. Doch erst unter der Leitung der seit 2013 amtierenden Laura Kövesi und mit der Rückendeckung des 2014 gewählten Präsidenten Klaus Johannis hat sich die DNA von einer zahnlosen Alibi-Behörde zu einer scharfen Waffe im Kampf gegen Korruption gewandelt.

Allein in Timisoara haben die DNA-Ermittler laut Auskunft der Behörde heuer 84 Anklagen erhoben. Die Fälle reichen von der unzulässigen Vergabe von EU-Fördergeldern an Scheinprojekte von Angehörigen, über Schmiergeldzahlungen an Finanzamtsleiter zur Vertuschung von Steuerhinterziehung bis zur Bestechung von Justizbeamten bei Strafverfahren. Mächtige Amtsträger setzten sich oft mit fünf, sechs Anwälten zur Wehr, so eine Sprecherin der DNA in Bukarest: „Doch die stark gestiegene Zahl der Anzeigen aus der Bevölkerung zeigt, dass die Bürger der Institution vertrauen und die DNA-Arbeit schätzen.“

Das Schuldbewusstsein der ins Visier der Justiz geratenen Politiker scheint aber gering: Am Sonntag dürfte die sozialdemokratische PSD mit prognostizierten 40 Prozent Platz eins holen. Ihr Chef, Liviu Dragnea, wurde heuer wegen versuchten Wahlbetrugs zu zwei Jahren Haft auf Bewährung verurteilt. Auch bei der konservativen PNL hat die DNA diese Woche Anklage gegen Ex-Parteichef Vasile Blaga wegen illegaler Parteienfinanzierung und schwarzer Kassen erhoben.

Der neuen Anti-Korruptions-Partei USR verheißen die Umfragen zehn bis 20 Prozent der Stimmen: Der Parteineuling wäre damit die drittstärkste Kraft im Land. (ros)

("Die Presse", Print-Ausgabe, 10.12.2016)

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