EU-Erweiterung: Brüssel kritisiert alle Beitrittskandidaten

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Bosnien-Herzegowina verschleppt Reformen. Das Land sei nur „sehr eingeschränkt“ an Schlüsselreformen herangegangen, während sich „das innenpolitische Klima verschlechtert hat“.

BRÜSSEL (APA). Die Europäische Kommission fordert Kroatien zu mehr Anstrengungen im Kampf gegen organisierte Kriminalität und Korruption auf, während die Türkei ihr Reformtempo „deutlich erhöhen“ muss. Das geht aus einem Entwurf für den jährlichen Fortschrittsbericht für die Kandidatenländer hervor, der der Austria Presse Agentur vorliegt. Am kommenden Mittwoch wird Erweiterungskommissar Olli Rehn diesen Bericht in Brüssel vorlegen. Für den dritten Beitrittskandidaten Mazedonien wird kein Datum zur Aufnahme konkreter EU-Beitrittsverhandlungen empfohlen.

„Kroatien wird seine Reformbemühungen im Bereich Justiz und Grundrechte verstärken müssen, insbesondere in Hinblick auf die Unabhängigkeit und Effizienz der Justiz, den Kampf gegen Korruption und organisiertes Verbrechen, Minderheitenrechte, einschließlich der Flüchtlingsrückkehr, und Gerichtsverfahren zu Kriegsverbrechen“, heißt es in dem Papier.

Finanzplan für Kroatiens Beitritt

Kroatien müsse auch alle Schritte unternehmen, um dem UN-Kriegsverbrechertribunal in Den Haag Zugang zu wichtigen Dokumenten zu gewähren. Die Europäische Kommission bereitet zudem ein Finanzierungspaket für den EU-Beitritt Kroatiens vor, das Papier enthält aber keine konkreten Zahlen. „Wenn Kroatien alle verbleibenden Benchmarks rechtzeitig erfüllt, können die Beitrittsverhandlungen nächstes Jahr abgeschlossen werden“, heißt es weiter.

Der Grenzstreit zwischen Slowenien und Kroatien hat die Beitrittsverhandlungen monatelang blockiert. Dessen Beilegung bleibt „eine bilaterale Abgelegenheit, die nicht die Beitrittsverhandlungen beeinträchtigen soll“, betont die Kommission.

Zypern-Streit im Brennpunkt

Die Türkei wird trotz Würdigung freier und fairer Kommunalwahlen und positiver Schritte bei der Justizreform zu schnelleren Reformen gemahnt. „Sorgen bleiben in einer Reihe von Bereichen, einschließlich Meinungs- und Pressefreiheit, Religionsfreiheit, zivile Kontrolle des Militärs sowie Frauenrechte und Gleichberechtigung der Geschlechter“, heißt es in dem Papier. „Viel mehr muss getan werden in Hinblick auf die Straffreiheit für jene, die an Folter und Misshandlung beteiligt sind.“

Obwohl Ankara die Verhandlungen zur Wiedervereinigung Zyperns unterstütze, „gab es keinen Fortschritt zur Normalisierung der bilateralen Beziehungen mit der Republik Zypern“. So habe die Türkei noch immer nicht das Ankara-Protokoll zur Zollunion mit der EU umgesetzt, Hürden für den Warentransport aus Zypern blieben damit bestehen.

Sehr kritisch ist das Urteil der EU-Kommission über Bosnien-Herzegowina. Das Land sei nur „sehr eingeschränkt“ an Schlüsselreformen herangegangen, während sich „das innenpolitische Klima verschlechtert hat“. Bosnien müsse erst seine Verfassung reformieren, bevor die Kommission für das Land den Kandidatenstatus empfehlen könne.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 09.10.2009)

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