Brexit: Notfalls ohne Binnenmarkt

Die britische Premierministerin Theresa May.
Die britische Premierministerin Theresa May.(c) APA/AFP/POOL/DAN KITWOOD
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Die britische Premierministerin Theresa May schließt einen radikalen Schnitt mit der EU nicht aus. Hauptsache, Großbritannien könne seine eigenen Gesetze und Grenzen kontrollieren.

London. Die jüngsten Äußerungen von Premierministerin Theresa May zum Austritt aus der EU haben das britische Pfund auf eine neue Talfahrt geschickt. May hat am Wochenende in einem TV-Interview ein Ausscheiden Großbritanniens aus dem EU-Binnenmarkt nicht mehr dezidiert ausgeschlossen. Sie schwenkt damit auf die Linie der Befürworter eines Hard Brexit ein, die eine völlige Trennung auch von den Marktregeln der EU bevorzugen. Wirtschaftsvertreter haben stets auf einen Verbleib im Binnenmarkt gedrängt.

Dem Sender Sky News sagte May, nach dem Brexit werde Großbritannien die eigenen Grenzen und Gesetze kontrollieren. Es heiße manchmal, Großbritannien wolle die EU zwar verlassen, zugleich aber einige Stückchen der Mitgliedschaft behalten, so May. Doch Großbritannien werde die EU verlassen und nicht länger ihr Mitglied bleiben. Allerdings werde sich London bemühen, bei den Austrittsverhandlungen eine Vereinbarung für die bestmöglichen Handelsverbindungen zur EU zu erzielen.

Nach diesen Äußerungen sank nicht nur das Pfund auf den niedrigesten Wert seit drei Monaten. Die schottische Regierungschefin, Nicola Sturgeon, drohte auch wieder mit einem Unabhängigkeitsreferendum, sollte London tatsächlich den Binnenmarkt verlassen. „Das ist kein Bluff.“

Obwohl es zuerst geheißen hatte, Mays Äußerungen seien überinterpretiert worden, ruderte Downingstreet 10 am Montag nicht zurück. Ein Sprecher der Premierministerin erklärte lediglich, May wolle nichts ausschließen, bevor die Austrittsverhandlungen beginnen.

Neuer Botschafter in Brüssel

Sehr rasch hat die britische Regierung noch Ende vergangener Woche einen neuen Vertreter des Landes bei der EU in Brüssel bestellt. Es ist Sir Tim Barrow, ein erfahrener Diplomat, der bereits die Botschaft in Moskau geleitet hat, bevor er im vergangenen Jahr als politischer Direktor ins Außenministerium nach London wechselte. „Er ist ein harter Verhandler mit umfassender Erfahrung bei der Absicherung britischer Interessen in Brüssel“, hieß es aus dem Kabinett von Theresa May. Der Spitzendiplomat hatte allerdings bisher nur in den Bereichen Außen- und Sicherheitspolitik Kontakt zu den EU-Institutionen. In andere Themen war er bisher nicht eingebunden gewesen.

Barrow folgt dem zurückgetretenen EU-Botschafter Iwan Rogers. Dieser hat vergangene Woche sein Amt zurückgelegt und die britische Regierung offen dafür kritisiert, dass sie für die Austrittsverhandlungen keinen Plan habe. Rogers hatte mit seinem Hinweis, die Verhandlungen würden weit komplizierter sein, als sich London das vorstelle, bereits zuvor Kontroversen ausgelöst. May wies Rogers' Kritik zurück. Die Vorbereitungen der Regierung seien nicht „konfus“ und unzureichend. „Wir nehmen uns Zeit zur Prüfung der Lage, denn es geht um komplizierte Fragen“, sagte sie in ihrem Gespräch mit Sky News. (ag./wb)

("Die Presse", Print-Ausgabe, 10.01.2017)

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