Regionale Entwicklung: Brüssel finanziert Kampf gegen Italiens Mafia

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Italien ist der drittgrößte Empfänger von EU-Regionalförderungen. Für die nächsten Jahre sind 64 Millionen Euro für die Umwandlung von Mafia-Besitz in legitime Unternehmen bestimmt.

BRÜSSEL.Am 11.Jänner 1996, nach 779 Tagen in Geiselhaft, endete Giuseppe di Matteos 14-jähriges Leben durch den Würgegriff eines sizilianischen Mafiakillers. Anschließend wurde der Leichnam des Buben in Säure aufgelöst. Nichts sollte vom Sohn des Überläufers Mario Santo Di Matteo bleiben, befahl der Mafioso Giovanni Brusca, der sich seine Noms de Guerre „Das Schwein“ und „Der Menschenschlächter“ durch 100 bis 200 Morde verdient hat.

Brusca sitzt heute bis ans Ende seiner Tage im Gefängnis. Und an den toten Giuseppe erinnert, so wie an die unzähligen anderen jugendlichen Opfer des organisierten Verbrechens, der „Giardino della memoria“ – auf einem beschlagnahmten Grund Bruscas.

931.000 Euro hat diese Gedenkstätte gekostet, die Hälfte davon aus dem Europäischen Fonds für Regionale Entwicklung (EFRE), dem mit 21,5 Mrd. Euro größten Topf der EU-Regionalpolitik.

Dieser „Garten der Erinnerung“ ist eine von 50 Liegenschaften im Mezzogiorno, dem armen Süden Italiens, die der Staat hohen Vertretern der „ehrenwerten Gesellschaft“ entzogen hat und die mit Hilfe von EU-Mitteln zu sozialen Einrichtungen und legalen Unternehmen umgewandelt wurden. Elf Mio. Euro flossen dafür aus dem EFRE, erklärte Regional-Kommissar Pavel Samecki, der Vorgänger von Johannes Hahn (ÖVP) in dieser Funktion, am Dienstag.

EU-Projekt auf Totò Riinas Grund

Und so steht heute, von der EU gefördert, in Corleone auf dem einstigen Grund und Boden des „Capo di Capi“ Salvatore „Totò“ Riina das Landwirtschaftszentrum „Terre di Corleone“ samt Erlebnisbauernhof. In Casal di Principe, bekannt aus Roberto Savianos Buch „Gomorrha“, steht nun ein Gemeinschaftszentrum auf einer Liegenschaft, die früher dem Camorra-Führer Francesco Schiavone, genannt „Sandokan“, gehörte.

Italien ist nach Polen und Spanien der drittgrößte Empfänger von Regionalförderungen und wird von 2007 bis 2013 rund 21,9 Mrd. Euro aus dem EFRE erhalten haben, wovon 64 Mio. Euro für die Umwandlung weiteren mafiosen Besitzes in legitime Unternehmen bestimmt sind. Dazu kommen weitere 8,3 Mrd. Euro aus dem EU-Agrarfonds für ländliche Entwicklung (ELER).

Kritiker weisen darauf hin, dass Mafia, Camorra und 'Ndrangheta Bauindustrie und Landwirtschaft im Mezzogiorno kontrollieren und somit über Scheinfirmen auch EU-Subventionen lukrieren. Erst im heurigen Frühjahr wurde bekannt, dass die Mafia in Sizilien in großem Stil am Bau von Windfarmen beteiligt ist, die aus öffentlichen Quellen, auch solchen der EU, finanziert werden.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 02.12.2009)

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