Tabakschmuggel: Harte EU-Kritik an Kiew und Moskau

(c) APA (Barbara Walton)
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Das Antibetrugsamt Olaf schickt eigene Beamte in die Ukraine und nach Russland. Freihandelszonen in Nahost sind „Albtraum“ im Kampf gegen illegalen Handel.

BRÜSSEL. Laut eigener Schätzung der Tabakindustrie werden weltweit jährlich 5,8 Billionen Zigaretten verkauft – also durchschnittlich fast 1000 Stück an jeden Erwachsenen und jedes Kind, jeden Raucher und jeden Nichtraucher.

Als wären die gesundheitlichen Folgen dieses Geschäfts nicht schon bedenklich genug, eröffnet der weltweite Handel mit Tabakwaren Terrorgruppen wie der „Real IRA“ in Irland und organisierten Verbrechern wie der Camorra in Neapel lukrative Einnahmequellen. Denn jede neunte Zigarette, die weltweit geraucht wird, wurde geschmuggelt – und zwar sehr oft mit wohlwollendem Mitwissen korrupter Beamter und Regierungen, die beide Augen zudrücken, weil der illegale Tabakhandel Arbeitsplätze schafft.

Kennzeichen auf jeder Packung

Vor diesem Hintergrund bereitet sich die EU auf äußerst harte Verhandlungen mit Staaten wie Russland, der Ukraine, Panama und den Ländern um den Persischen Golf vor, wenn es Mitte März in Genf darum geht, ein bahnbrechendes UN-Abkommen zum Kampf gegen Tabakschmuggel zu schließen (siehe Internethinweis). Dieses „Illicit Trade Protocol“ soll die 167 Unterzeichnerstaaten des UN-Rahmenabkommens über Tabakkontrolle dazu bringen, Maßnahmen gegen den Zigarettenschmuggel zu ergreifen.

Dessen wichtigste Maßnahmen sind erstens eine Kennzeichnungspflicht für jede einzelne Zigarettenpackung, zum Beispiel durch einen Strichcode oder einen RFID-Funkchip. Damit soll es Betrugsfahndern möglich werden, bei jeder verdächtigen Ladung sofort festzustellen, woher die Zigaretten kommen, und durch welcher Zwischenhändler Hände sie bereits gegangen sind. Zweitens sollen die Tabakkonzerne dazu verpflichtet werden, ihre Geschäftspartner genau auf deren Rechtmäßigkeit zu prüfen.

Aus den dargelegten Gründen spießt es sich sechs Wochen vor Beginn der Genfer Verhandlungen gehörig. Aus EU-Sicht die größten Probleme gibt es mit Russland, über dessen Exklave Kaliningrad nach Westeuropa geschmuggelt wird, und in der Ukraine. „Beide sind für die EU Problemländer“, sagte Austin Rowan, Leiter der Arbeitsgruppe „Zigaretten“ in der EU-Antibetrugsbehörde Olaf, am Montag bei einer Pressekonferenz der Grünen im Europaparlament in Brüssel. „Alle wissen, dass das ein großes Problem ist, aber die russische Position lautet, dass es in Russland keinen Betrug gibt.“

Großes Geld für kleine Fische

Das sieht man bei Olaf anders. Rowans Arbeitsgruppe „Zigaretten“ allein hat 17 Mitarbeiter. Heuer schickt Olaf eigene Verbindungsleute nach Kiew, Moskau und Kairo. In Peking sitzt bereits einer.

Das global größte Problem sind aber die rund weltweit 10.000 Freihandelszonen und Freihäfen. „Die Freihandelszonen im Nahen Osten sind für uns ein Albtraum“, sagte Rowan. Dabei handelt es sich um Häfen, in die man Container einführen kann, ohne Zoll zu zahlen und ohne allzu genaue Kontrollen befürchten zu müssen. Eine typische Schmuggelladung kommt, als Turnschuhe oder T-Shirts deklariert, aus Ostchina oder Vietnam in einen der Golfstaaten. Dort bekommen die Ladungen neue falsche Papiere und werden nach Rotterdam und Hamburg weitergeleitet. Hier wird die Schmuggelware verteilt und über Helfershelfer auf den Markt gebracht.

Auch für diese vermeintlichen „kleinen Fische“ zahlt sich das aus: Ein Angeklagter, der Mitte Jänner vor dem Wiener Landesgericht stand, gab an, mit dem Schmuggel von rund 600.000 Stangen Zigaretten monatlich 6000 bis 7000 Euro verdient zu haben.

www.who.int/fctc/inb/en/

("Die Presse", Print-Ausgabe, 02.02.2010)

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