Tür auf für den Europäischen Währungsfonds

Tuer fuer Europaeischen Waehrungsfonds
Tuer fuer Europaeischen Waehrungsfonds(c) AP (Geert Van den Wijngaer)
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Die Kommission will den 440-Mrd.-Euro-Rettungsplan zur dauerhaften Einrichtung machen. Heftiger Widerstand der Regierungen ist zu erwarten.

Herr Barroso war leichenblass – aber nur wegen einer allzu dicken Schicht Gesichtspuders und nicht, weil das Vorhaben, das er am Mittwoch im Scheinwerferlicht der TV-Kameras zu verkünden hatte, so revolutionär war.

Denn der Plan zur Stärkung der wirtschaftspolitischen Abstimmung, den der Kommissionspräsident mit seinem Wirtschafts- und Währungskommissar Olli Rehn (im Bild) präsentierte, war für sich allein weder neu noch aufsehenerregend.

Seit Wochen schon nutzten Barroso und Rehn jede öffentliche Redegelegenheit, um ihre Wunschliste zu verkünden: erstens eine schärfere Durchsetzung der Stabilitätskriterien, an die sich jedes Euroland halten sollte, die aber frisch und fröhlich ignoriert werden; zweitens mehr Augenmerk auf die Entwicklung der Staatsschulden, also nicht nur wie bisher auf die jährlichen Defizite; drittens bessere Anreize und Sanktionen, um die Kriterien des Stabilitätspaktes besser durchsetzen zu können. Barroso und Rehn schlagen vor, dass Länder, die in guten Zeiten ihre Budgets nicht sanieren, zur Strafe verzinste Einlagen bei der Kommission deponieren müssten.

440 Milliarden Euro ändern alles

Für sich genommen war nichts davon überraschend. Und trotzdem war diese Vorlage epochal. Denn seit der Krisensitzung der EU-Finanzminister vom vergangenen Wochenende, an deren Ende ein 750Mrd. Euro schweres Paket zur Stützung der Eurozone stand, gehen die Uhren in Brüssel anders. Denn Barroso und Rehn wollen jenen auf drei Jahre befristeten Mechanismus bilateraler Kreditgarantien der 16Euroländer im Wert von 440Mrd. Euro, der Kern des Euro-Rettungsplans ist, zu einem dauerhaften Europäischen Währungsfonds ausbauen.

„Es gibt mehrere Vorschläge, die diesen Namen tragen, darum bin ich vorsichtig, ihn so zu nennen“, sagte Rehn. Alle Betulichkeiten beiseite gerückt, ist das, was die Kommission will, aber genau das: ein Europäischer Währungsfonds, der gegen bilaterale Garantien der Euroländer an die Finanzmärkte geht und Geld sammelt, um dieses im Gegenzug für harte Sanierungsmaßnahmen an notleidende Euroländer zu vergeben. „Wir werden die Lektionen aus der jüngsten Erfahrung ziehen“, sagte Rehn.

Gegenseitige Haftungen für Schulden, dazu der Vorschlag, die nationalen Budgets vorab in Brüssel vorzulegen: Das ist der Stoff, aus dem der nächste große Streit zwischen Regierungen und Kommission gemacht ist. Die deutsche Kanzlerin Angela Merkel sprach zwar in einer ersten Reaktion von einem „Schritt in die richtige Richtung“. Doch ihr Vizekanzler Guido Westerwelle brachte den Keim künftigen Zanks auf den Punkt: „Nicht die Europäische Kommission beschließt die Haushalte, sondern der Deutsche Bundestag und die nationalen Parlamente.“

Anleger fliehen aus dem Euro ins Gold

Und was sagen die Märkte, an denen sich Europa allen Sanierungsbemühungen zum Trotz noch einige Zeit lang viel neuen Kredit wird holen müssen? Sie fliehen ins Gold. Die Münze Austria gab am Mittwoch bekannt, allein seit Ankündigung des Rettungsplans für Griechenland so viele „Philharmoniker“-Münzen verkauft zu haben wie sonst in drei Monaten. „Das ist ein klares Zeichen, dass es wegen der Sorgen um Griechenland und der Stabilität des Euro Panikkäufe gibt“, sagte Marketingleiter Kerry Tattersall zur Nachrichtenagentur Reuters.

Und die Verschuldung der öffentlichen Hände Europas steigt rasant: Laut der Ratingagentur Standard&Poor's wird der Schuldenstand der Länder und Gemeinden Westeuropas im kommenden Jahr 1,3Billionen Euro erreichen – ein Rekordwert. Gegenüber heuer werde die Neuverschuldung um 20 Prozent steigen. Fast die Hälfte dieses Schuldenbergs der Kommunen und Bundesländer fällt übrigens auf Deutschland.

DER PLAN DER KOMMISSION

Vorabkontrolle der Budgets: Die EU-Staaten sollen ihre Budgetpläne vorab der Kommission vorlegen. Sie soll dann Empfehlungen abgeben.

Mehr Augenmerk auf Schuldenquote:Statt nur die jährlichen Defizite zu kontrollieren, sollen sich die Staaten um den Abbau der Schuldenlast bemühen.

Mehr Sanktionen: Wer in guten Zeiten Schulden macht, soll Strafzahlungen bei der Kommission deponieren müssen. [EPA]

("Die Presse", Print-Ausgabe, 14.05.2010)

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