EU-Ärger über „Datenkrake“ USA

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EUaerger ueber bdquoDatenkrakeldquo(c) REUTERS (STOYAN NENOV)
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Ein EU-Staat nach dem anderen beugt sich dem Druck der USA und gewährt US-Behörden Zugang zu Ermittlungsdaten. Dagegen formiert sich nun im Europaparlament heftiger Widerstand.

BRÜSSEL/WIEN. Während EU-Justizkommissarin Viviane Reding noch immer kein grünes Licht für Verhandlungen mit den USA über ein Datenschutzabkommen hat, stellen die europäischen Regierungen ihre Bürger vor vollendete Tatsachen: Nach Österreich hat auch Deutschland den Widerstand dagegen aufgegeben, dass US-Behörden wie das FBI künftig direkten Zugriff auf europäische Polizeidateien erhalten.

Am 9. September habe das Land Hamburg dem Gesetz zugestimmt, mit dem der automatische Austausch von Fingerabdrücken und DNA-Proben in Deutschland umgesetzt wird, sagte Karen Ullmann von der Hamburger Justizbehörde auf Anfrage. Das Wiener Außenministerium wiederum hat sich laut „Presse“-Informationen diese Woche am Dienstag mit den USA über den Inhalt des Abkommens geeinigt. Noch vor Weihnachten, spätestens aber im Jänner, wird die rot-schwarze Bundesregierung dem Nationalrat eine entsprechende Gesetzesvorlage präsentieren.

Seit 2008 haben die USA bereits mit den folgenden EU-Staaten bilaterale Abkommen über die verstärkte Zusammenarbeit zur Vorbeugung und Bekämpfung schwerer Verbrechen geschlossen: Griechenland, Spanien, Ungarn, Litauen, Malta, Slowakei, Tschechien, Estland, Italien und Finnland.

„Presse“-Bericht alarmiert Abgeordnete

Dieses bilaterale Vorgehen sorgt allerdings nun im Europaparlament für großen Ärger. Denn während die Regierungen Einzelabkommen mit Washington schließen, verweigern sie Justizkommissarin Reding noch immer das Mandat für Verhandlungen über ein EU-US-Abkommen zum Datenschutz im Polizei- und Justizbereich. „Eine Provokation“ nennt der deutsche grüne EU-Mandatar Jan Philipp Albrecht dieses Vorgehen. Er war schon beim Streit um die Weitergabe von Swift-Banküberweisungsdaten an die USA einer der vehementesten Befürworter eines starken Datenschutzes. „Es ist nicht akzeptabel, dass die USA mit einzelnen Staaten Abkommen schließen – erst recht, wenn es um die Weitergabe von Daten geht. Das ist illoyal.“ Zumal die USA auf die Europäer handfesten Druck ausüben: Wer nicht bis Jahresende zustimmt, dessen Bürger fliegen aus dem Visa-Waiver-Programm. Sie bräuchten also wieder ein Visum für Reisen in die USA.

Ein Bericht dieser Zeitung hat nun den deutschen Liberalen Alexander Alvaro auf den Plan gerufen. Er stellte am Freitag in dieser Sache zwei Anfragen an die Kommission und an den Rat, also die Regierungen. „Wir sind für eine starke transatlantische Kooperation, aber irgendwann müssen wir einfach einen Schlussstrich ziehen und klar Grenzen aufzeigen. Der Wandel der USA zur globalen Datenkrake ist nicht im europäischen Interesse“, ärgert er sich.

US-Beamter klagt über langsame EU

Informationen über verlorene und gestohlene Reisepässe werden bereits automatisch geteilt. Nun soll das auch mit Fingerabdrücken und DNA-Profilen geschehen. Hier ist Österreich für die USA von besonderem Interesse. Denn unter der Aufsicht des Bundeskriminalamts sind in Innsbrucks Gerichtsmedizin mehr als 150.000 Profile gespeichert: die fünftgrößte DNA-Datenbank der Welt. Auch die Listen Terrorverdächtiger sollen künftig ausgetauscht werden.

Manche Regierungen widersetzen sich den Wünschen Washingtons noch. Die Niederlande erachten laut einer internen Analyse aus dem Wiener Außenministerium den Abkommenstext als „inakzeptabel“. Frankreich beschwert sich über den „aggressiven Ton“ der USA und empfiehlt den anderen EU-Staaten, „keinesfalls vorschnell“ den Forderungen nachzugeben.

Den Hintergrund, warum die USA lieber mit Einzelstaaten anstatt mit Brüssel verhandeln, erklärt ein Schreiben von Österreichs Botschafter in Washington, Christian Prosl, nach Wien. Demnach habe ihm der Abteilungsleiter im State Departement, Alexander Karagiannis, zu verstehen gegeben, dass dies den USA zu lange dauere, oder diplomatisch ausgedrückt, „ein mehrjähriges Unterfangen wäre“.

Matthew Newman, Sprecher von Kommissarin Reding, sieht keine Gefahr, dass die Bemühungen seiner Behörde, den Datenschutz für Europäer in den USA zu stärken, durchkreuzt werden: „Wenn das Rahmenabkommen da ist, hoffen wir, dass die bilateralen Abkommen in einer Übergangsphase angepasst werden“, sagte er zur „Presse“.

AUF EINEN BLICK

Geheime Verhandlungen: Seit zwei Jahren hat die US-Regierung mit zahlreichen EU-Staaten Abkommen über den automatischen Austausch von Polizeidatenbanken geschlossen – auch mit Österreich. Nach einem „Presse“-Bericht regt sich aber im Europaparlament Widerstand. Der FDP-Mandatar Alexander Alvaro stellte am Freitag Anfragen an EU-Kommission und -Rat.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 02.10.2010)

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