Swoboda: "Die heutige Türkei passt nicht zu uns"

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bdquoDie heutige Tuerkei passt(c) APA/HERBERT NEUBAUER (HERBERT NEUBAUER)
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Der SPÖ-Europa-Abgeordnete Hannes Swoboda sieht Ankara gesellschaftspolitisch nicht auf dem Weg in die EU und fordert einen "Zwischenschritt".

Strassburg. „Der Türkei hätten wir längst Alternativen anbieten müssen. Ein Vollbeitritt ist illusorisch.“ Der SPÖ-Europaabgeordnete und stellvertretende Vorsitzende der sozialdemokratischen Fraktion im Europaparlament, Hannes Swoboda, fordert im Gespräch mit der „Presse“ einen „Zwischenschritt“ in den türkischen Beitrittsverhandlungen. Dieser sollte eine erste konkrete wirtschaftliche und politische Anbindung des Landes an die EU bringen. Ob dies in zwanzig Jahren noch zum Beitritt führe, sollte offengelassen werden.

Swoboda sieht in einer solchen Vorgangsweise auch Vorteile für die Türkei. „Sie wäre unabhängiger und nicht mehr gesellschaftspolitisch an die EU gebunden.“ Die heutige Türkei passe mit ihrem starken Nationalismus „nicht zu uns“. Dies wurde, so der SPÖ-Politiker, auch durch die Äußerungen des türkischen Botschafters Kadri Ecvet Tezcan deutlich, der in der „Presse“ seinen Unmut über Österreich geäußert hatte. Tezcan hatte dabei auch die SPÖ attackiert, die sich seiner Ansicht nach nicht ausreichend für die Rechte der Menschen einsetze.

Swoboda äußert auch seine Skepsis, ob die EU überhaupt ein weiteres großes Land verkraften könne. Deshalb gebe es die Notwendigkeit, neben der Türkei auch eine Lösung für die Ukraine zu erarbeiten. Beide Länder seien für die Union wichtig. In beiden Ländern besteht die Gefahr, dass sie sich Richtung Osten orientieren. „Eine Vollmitgliedschaft sehe ich aber auch für die Ukraine nicht.“

Verzögerung für Kroatien?

Bei der Aufnahme Kroatiens fürchtet Swoboda eine Verzögerung und Probleme durch die Einbeziehung von Vertragsänderungen in das Beitrittsabkommen des Landes. „Ich war immer dafür, diese beiden Fragen zu trennen.“ Mit dem Beitrittsvertrag Kroatiens soll nach Ansicht mehrerer EU-Regierungen formell die Möglichkeit festgeschrieben werden, dass EU-Partner ein Krisenland der Eurozone finanziell stützen dürfen (Änderung der No-Bail-out-Klausel). Außerdem fordert Deutschland einen Passus zum Insolvenzverfahren für Euroländer. Da der kroatische Beitrittsvertrag in allen EU-Ländern ratifiziert werden muss, sollen diese Vertragsteile gleich mitabgesegnet werden.

Swoboda, der im Europaparlament für die Bewertung der kroatischen Beitrittsreife zuständig ist, rechnet damit, dass die Verhandlungen der EU mit Zagreb Mitte 2011 abgeschlossen werden. Durch den Beschluss des EU-Parlaments und die Ratifizierung in allen Mitgliedstaaten könnte sich der Beitritt auf Mitte 2012 verschieben. Bisher war von Jänner 2012 ausgegangen worden. Gibt es Probleme bei der Ratifizierung, wäre auch eine längere Verzögerung möglich.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 27. November 2010)

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