Euro in der Krise: Zwei Sätze verändern die Eurozone

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Europas Staatsführer stoßen am Donnerstag das Tor zum umfassendsten Umbau der Währungsunion seit ihrer Gründung vor elf Jahren auf. Wolfgang Schäuble scheint nun auch für unorthodoxe Ideen offen.

Brüssel. Zwei knappe Sätze werden am Donnerstagabend dem Schicksal der Währungsunion eine Wendung geben, die noch vor einem Jahr als ausgeschlossen galt. Die Staats- und Regierungschefs der EU werden mit der schlanken Formulierung das Tor zum umfassenden Neubau der Wirtschafts- und Währungspolitik Europas aufstoßen. Erster Schritt ist eine Eurozone mit einem dauerhaften Krisenmechanismus, über den unter Einhaltung strenger Auflagen Kredite an finanziell angeschlagene Euroländer vergeben werden.

Denkbar, dass dieser punktuellen Änderung des EU-Vertragsrechts eines Tages gemeinsame Anleihen der Euroländer folgen – und damit die Vergemeinschaftung der Fiskalpolitik der Euroländer. „Eurobonds wird es jetzt sicher nicht geben, sie stünden wohl im Widerspruch zur No-Bail-Out-Klausel“, sagte ein Diplomat am Montag. „Allerdings gibt es im Gegensatz zu vor einem Jahr niemanden mehr, der sagen würde, das sei eine abstruse Idee.“

Abseits aller Spekulation kann man schon jetzt festhalten: Der Europäische Rat vom Donnerstag und Freitag wird besagte kurze Formel bringen, durch die im Sommer 2013 ein dauerhafter Mechanismus an die Stelle der derzeitigen temporären „Europäischen Finanzstabilitätsfazilität“ tritt. Zur Erinnerung: Das ist jener Fonds mit Sitz in Luxemburg, der gegen staatliche Haftungen der Euroländer im Ausmaß von 440 Milliarden Euro Anleihen an den Märkten platzieren kann, um nun das 85 Milliarden Euro schwere irische Bankenrettungspaket zu bezahlen.

Frag nach bei den Griechen

Das Problem an diesem Geschöpf ist, dass es erstens aus Gründen der Risikovorsorge nur etwas mehr als die Hälfte der 440 Milliarden Euro Haftungsmasse tatsächlich als Kredite an den Märkten aufnehmen kann. Und zweitens ist seine rechtliche Grundlage mehr als fragwürdig – vor allem aus Sicht deutscher Verfassungsjuristen.

Die kurze, einfache und Kompetenzverlagerungen ausschließende Vertragsänderung soll Abhilfe schaffen, vier Grundsätze sollen die Zufriedenheit der Deutschen gewinnen: Der Mechanismus soll nur als allerletzte Rettung dienen, die privaten Gläubiger des betreffenden Problemstaates zur Beteiligung an den Sanierungskosten zwingen, einen einstimmigen Beschluss erfordern und strenge Konditionalität einfordern. Was „strenge Konditionalität“ heißt – sprich: wie es so ist, wenn ein Staat auf Druck der Finanzmärkte und der anderen EU-Regierungen radikal sanieren muss –, davon können die Griechen ein Lied singen. Heute, Dienstag, wird das Parlament in Athen beschließen, dass kein Angestellter einer Staatsfirma mehr als 4000 Euro pro Monat verdienen darf – Spitzenmanager ausgenommen. Jedes Gehalt über 1800 Euro wird um zehn Prozent gekürzt – zusätzlich zu einer bereits erfolgten 15-prozentigen Kürzung.

Schäubles Gedächtnislücke

Auch Falken wie der deutsche Finanzminister Wolfgang Schäuble scheinen nun für unorthodoxe Ideen offen. „Wir werden in zehn Jahren eine Struktur haben, die sehr viel stärker dem entspricht, was man als politische Union bezeichnet“, sagte er zur „Bild am Sonntag“. Erfahrene EU-Diplomaten weisen aber vorsichtig darauf hin, dass zu Beginn der Währungsunion Frankreichs damaliger Finanzminister Dominique Strauss-Kahn so eine vertiefte EU forderte – und von Schäubles Unions-Kollegen Theo Waigel sowie seinem Staatssekretär Jürgen Stark (heute Chef-Volkswirt der Europäischen Zentralbank) abgeschossen wurde. Eine Einmischung in nationale Budgetpolitik dürfe es nicht geben, der Stabilitätspakt reiche, hieß es damals.

Auf einen Blick

Am Donnerstagund Freitag werden Europas Staats- und Regierungschefs die Änderung des EU-Vertrags beraten.
Damit soll die Rettung von Euroländern in Finanznöten auf eine rechtlich saubere Basis gestellt werden.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 14.12.2010)

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