EU-Führer drehen wieder Beruhigungspillen

(c) AP (Yves Logghe)
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Während die Ratingagenturen Spanien aufs Korn nehmen, üben sich Europas Diplomaten und Regierungen in Beschwichtigung der Euro-Krise. Doch beim Aufbau eines dauerhaften Schutzes sind wichtige Fragen noch offen.

Brüssel/Berlin. Nur keine Wellen: Nach diesem Motto bemühten sich einen Tag vor dem heute, Donnerstag, beginnenden EU-Gipfeltreffen Diplomaten und politische Führer einmal mehr darum, die Krise des Euro nicht noch mehr durch missverständliche Aussagen zu verschärfen.

„Das ist eine hoch spekulative und hypothetische Frage“, sagte ein hoher EU-Diplomat am Mittwoch auf die Frage, ob er ausschließen könne, dass in den nächsten sechs Monate nach Irland und Griechenland weitere Euroländer zur Abwendung eines Staatsbankrotts um Hilfe ansuchen müssen. „Die Eurozone hat alle Mittel. Und wenn man sich die Maßnahmen einiger Mitgliedstaaten ansieht, würde ich sagen: die Wahrscheinlichkeit scheint abzunehmen.“

Die internationale Ratingagentur Moody's allerdings scheint das anders zu sehen. Sie prüft, ob sie die Kreditwürdigkeit Spaniens herabstufen muss (Details Seite 16). Spanien müsse nämlich im kommenden Jahr sehr viel Staatsschuld zu einem hohen Zinssatz refinanzieren, lasse trotz großer Ankündigungen mit konkreten Ergebnissen der Budgetsanierung auf sich warten und habe einen Bankensektor, bei dem es unklar sei, woher und zu welchen Bedingungen frisches Kapital fließen soll.

Wenn man zu diesem trüben Ausblick auf Spanien den Wunsch der Europäischen Zentralbank hinzufügt, das eigene Grundkapital zu verdoppeln, um künftig noch mehr Staatsanleihen angeschlagener Euroländer auf dem Sekundärmarkt aufzukaufen; und wenn man sich die Aussage von Belgiens Finanzminister Didier Reynders vor Augen führt, der in der belgischen Tageszeitung „de Standaard“ vorschlug, den 440 Milliarden Euro schweren bestehenden Schirm aus zwischenstaatlichen Haftungen der anderen Euroländer zu verdoppeln – dann muss man sich die Frage stellen, ob Europa eine weitere Notaktion wie jene zur Rettung Griechenlands im Mai und Irlands Ende November wirklich erspart bleiben wird. „Das ist Ihr Privileg, Schlüsse zu ziehen und Analysen zu schreiben“, sagte der Sprecher von Wirtschafts- und Währungskommissar Olli Rehn auf diese Frage. „Wir kommentieren Marktgeschehnisse nicht.“

Barroso gegen „Schönheitswettbewerb“

Ganz so stimmt das nicht. Denn als die Investoren nach dem Beschluss des 110-Milliarden-Euro-Hilfspakets für Griechenland Anfang Mai auf die Idee kamen, Spanien aufs Korn zu nehmen, versuchte Kommissionspräsident José Manuel Barroso, sie zumindest rhetorisch in die Schranken zu weisen. „Die Kommission wird alles Notwendige tun, damit Finanzmärkte kein Spielplatz für Spekulanten sind“, sagte Barroso am 5. Mai vor dem Europaparlament.

Funktioniert hat diese Politik der Worte nicht. Die EU hat zwar seither eine verschärfte Aufsicht der Finanzmärkte beschlossen und strenge Regeln für Ratingagenturen. Diese Maßnahmen konnten aber die hektische, 85 Milliarden Euro teure Rettungsaktion für Irlands todgeweihte Banken am 28. November nicht abwenden.

Und so ist fraglich, welchen Wert Barrosos Aussagen vor dem Parlament am Mittwoch haben werden. Sowohl im griechischen als auch im irischen Fall „haben wir die erforderlichen Entscheidungen getroffen“, sagte er. Es dürfe keinen „Schönheitswettbewerb“ zwischen den EU-Führern geben.

Womit Barroso auf die Konflikte zwischen Deutschlands Kanzlerin Angela Merkel und einigen ihrer Amtskollegen angespielt haben dürfte. Merkel jedenfalls setzte bei ihrer Regierungserklärung am Mittwoch der Kritik an ihrer harten Linie ein Bekenntnis zur EU als „Verantwortungsgemeinschaft“ entgegen. Tenor ihrer Rede: Die Deutschen sind keine Antieuropäer. Gemeinsame Euro-Anleihen wären aber eine „Vergemeinschaftung der Risiken“ und ein Fehler. Merkel ist zuversichtlich, dass auf dem Gipfel die geplante Änderung des Lissabon-Vertrags zwecks Schaffung eines dauerhaften Mechanismus für Eurokrisen ab Mitte 2013 klaglos durchgeht. Doch wie dieser Mechanismus genau aussieht, über wie viel Geld er verfügen soll, ob er staatliche Haftungen oder echte Einlagen der Euroländer erfordert und wie die Privatinvestoren genau an Rettungsaktionen beteiligt werden: Das alles müssen die Finanzminister in den nächsten Wochen klären. Unter genauer Beobachtung der Finanzinvestoren, versteht sich. Siehe auch Seiten 6 und 16

Auf einen Blick

Eine kleine Vertragsänderung soll es ab 1. Jänner 2013 den Euroländern ermöglichen, einander im Fall schwerer Finanzkrisen gegenseitig Kredit zu gewähren – unter der strengen Bedingung umfassender Budget- und Staatsreformen. Darauf werden sich die 27 Staats- und Regierungschefs am Donnerstag bei ihrem Gipfeltreffen in Brüssel einigen. Wie jedoch so ein Hilfsmechanismus aussieht, müssen die Finanzminister aushandeln.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 16.12.2010)

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