EU-Gipfel: Europa baut sich einen Währungsfonds

EUGipfel Europa baut sich
EUGipfel Europa baut sich(c) AP (Virginia Mayo)
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Der „Europäischer Stabilitätsmechanismus“ (ESM) ist beschlossen. Dieser fixe Euro-Rettungsschirm soll 2013 fertig sein und macht eine EU-Vertragsänderung nötig.

Auf dem Höhepunkt der griechischen Krise im März stellte die „Welt am Sonntag“ Deutschlands Finanzminister Wolfgang Schäuble folgende Frage: Brauchen wir einen Europäischen Währungsfonds? Schäuble bejahte, wenn auch etwas umständlich: „Für die innere Statik der Eurozone brauchen wir eine Institution, die über die Erfahrungen des IWF und über analoge Durchgriffsbefugnisse verfügt.“

Neun Monate später ist Schäubles Wunsch erfüllt. Europas Staats- und Regierungschefs einigten sich in der Nacht auf Freitag darauf, den EU-Vertrag von Lissabon so zu ändern, dass sich die Eurozone eine Institution bauen kann, „die über analoge Erfahrungen des IWF und über analoge Durchgriffsbefugnisse verfügt“, um bei Schäubles Worten zu bleiben. Europa bekommt also einen Währungsfonds, einen EWF. Sein Geld wird er auf den Finanzmärkten durch die Begebung von Anleihen sammeln, die dank der kollektiven Haftung aller Euroländer sowie freiwillig teilnehmender weiterer EU-Staaten höchste Kreditwürdigkeit genießen.

Offiziell wird dieses Geschöpf „Europäischer Stabilitätsmechanismus“ (ESM) heißen. Darauf haben sich die Finanzminister bereits am 28.11. geeinigt, als sie in höchster Not das 85-Milliarden-Euro-Rettungspaket für Irland geschnürt haben. „Das ist eine reine Etikettierungsfrage“, sagte ein EU-Beamter zur „Presse“. „Der Name ist weniger bedeutend als der Inhalt.“

Insolvenzverfahren für Euroland

Was also soll der ESM/ESF ab seiner Schaffung im Juni 2013 können? Auch darauf haben sich die Finanzminister bereits geeinigt. Er soll ein zwischenstaatlicher, dauerhafter Krisenmechanismus sein, der die finanzielle Stabilität der Eurozone als solcher sicherstellt. Wenn sich ein Euroland nach Prüfung durch die Europäische Kommission, den Internationalen Währungsfonds (IWF) und die Europäische Zentralbank (EZB) als zahlungsunfähig erweisen sollte, wird der ESM-Kredit gewähren. Und er wird ein geordnetes Verfahren für die Insolvenz eines Eurolandes einleiten, wie es viele Ökonomen seit Langem fordern. Dieses Geld gibt es aber nur, wenn der betroffene Staat zuvor mit seinen privaten Gläubigern, also den Banken und Fonds, die seine Anleihen gekauft haben, einen Restrukturierungsplan vereinbart hat. Damit das reibungslos klappt und nicht einzelne Gläubiger eine Umstrukturierung blockieren können, müssen alle Euroländer – also auch Österreich – ab 2013 bei der Begebung jeder neuen Anleihe einheitliche „Collective Action Clauses“ mit ihren Gläubigern vereinbaren. Das sind Vertragsklauseln, die festschreiben, wie eine qualifizierte Mehrheit der Gläubiger im Krisenfall ihre Forderungen einfrieren, Fristen verlängern, Zinssätze kappen oder schlimmstenfalls einen „Haircut“ akzeptieren, also den Verzicht auf einen Teil ihrer Forderung.

EZB verdoppelt ihr Grundkapital

Bis 2013 müssen die Gläubiger nichts befürchten. Das hat den paradoxen Effekt, dass der Druck auf die Anleihen Griechenlands, Irlands, Portugals und Spaniens erst recht steigt. Die Investoren berechnen das ab 2013 jäh wachsende Risiko, zu einer Sanierung beitragen zu müssen, nun bereits ein.

Darum spielt die EZB seit Monaten Staubsauger und kauft auf dem Sekundärmarkt marode Euroanleihen auf. Und sie rechnet offenbar damit, dies künftig noch stärker als bisher tun zu müssen: Knapp vor Beginn des Gipfels gab die Bank bekannt, ihr Grundkapital von 5,76 Milliarden auf 10,76 Milliarden Euro zu erhöhen.

Bleibt den Gläubigern Griechenlands und Irlands ein „Haarschnitt“ bis 2013 wirklich erspart? „Ich halte das im Falle Griechenlands für keine langfristige Lösung. Eine frühere Umstrukturierung wäre besser“, sagte der Jurist Michael Waibel, der in Cambridge staatliche Finanzkrisen erforscht, zur „Presse“. Ein solches Ende mit Schrecken, also ein fairer Umbau der Schulden, hätte den Vorteil, dass nicht Portugal oder Spanien als nächste Dominosteine fallen. „Das Überraschungsmoment muss aufseiten der Mitgliedstaaten und der EZB sein“, sagte Waibel.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 17.12.2010)

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