Kluft in der Eurozone: Sparen allein reicht nicht

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JunckerReuters/Francois Lenoir
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Forderungen nach einer engeren Wirtschaftspolitik werden immer lauter. Die Hoffnung, dass die Einführung des Euro automatisch zu einer Angleichung führt, hat sich laut Wirtschaftsforscher Breuss nicht erfüllt.

Wien. Jean-Claude Juncker war die deutsche Debatte zur Finanzkrise bisher zu eindimensional. Sparen, sparen, sparen, wie es Bundeskanzlerin Merkel den anderen Euroländern empfiehlt, reicht seiner Ansicht nach nicht aus, die Probleme der Eurozone zu lösen. Die Ursache – ein Auseinanderdriften der Teilnehmerländer bei wichtigen Wirtschaftsindikatoren – müsse bekämpft werden. Der Luxemburger Premier und Vorsitzende der Eurogruppe (Finanzminister der Währungsunion) forderte deshalb auch am ersten Tag des Brüsseler EU-Gipfels dringend eine „engere wirtschaftspolitische Koordinierung“ unter den Euro-Teilnehmerländern.

Dass die Eurozone auseinanderdriftet, ist ein Faktum. Die Wettbewerbsfähigkeit der Teilnehmerstaaten hat sich in den vergangenen zehn Jahren nicht angeglichen, sondern auseinanderbewegt. „Mit dem Ausbruch der Finanzkrise 2007 hat sich die Kluft in der Wettbewerbsfähigkeit noch weiter vergrößert“, heißt es in einer von EU-Währungskommissar Olli Rehn in Auftrag gegebenen Studie der EU-Kommission.

Die Hoffnung, dass die Einführung des Euro automatisch zu einer Angleichung führt, habe sich nicht erfüllt, bestätigt auch der Wirtschaftsforscher Fritz Breuss im Gespräch mit der „Presse“. Er sieht in derzeitigen Haushaltsproblemen einiger Teilnehmerstaaten auch eine Folge wirtschaftspolitischer Fehlentwicklungen. „So haben es viele Euroländer verabsäumt, ihre Lohnstückkosten der Produktivität anzupassen.“ Dadurch sei es zu Verwerfungen in der Eurozone gekommen. Breuss ist pessimistisch, dass es hier jemals auf europäischer Ebene eine Koordinierung geben werde. „Die Lohnpolitik wird national von den Sozialpartnern gestaltet.“

Deutschland einen Vorwurf zu machen, dass es seine Wettbewerbsfähigkeit erhöht habe, sei ungerecht. Es sei vielmehr fraglich, warum Länder wie Griechenland keine Bemühungen darangesetzt haben, sich mit ihrer Lohnentwicklung an den neuen Rahmenbedingungen zu orientieren. „Eigentlich müssten jetzt Griechenland und Spanien ihre Löhne um 20Prozent senken“, so der Experte des Wirtschaftsforschungsinstituts (Wifo). Die Staats- und Regierungschefs hätten es laut Breuss nur in der Hand, die Fiskalpolitik besser zu koordinieren. So könnte beispielsweise Deutschland mit einer Steuersenkung die eigene Binnennachfrage steigern. Durchaus problematisch sehen Wirtschaftsexperten nämlich, dass Deutschland sein Wachstum derzeit rein auf den Exportboom stützt. Das Land macht sich dadurch von der internationalen Konjunkturlage abhängig.

Die Verwerfungen in der Eurozone und diese deutsche Sonderstellung würden freilich auch bereinigt, würden andere Euroländer mit ihrer Wettbewerbsfähigkeit aufschließen. Seit Einführung des Euro ist aber das Gegenteil der Fall. Eine Studie der Schweizer Business-School (IMD) zeigt, dass die ehemaligen Hartwährungsländer Deutschland, Österreich und die Niederlande bereits die ehemaligen Weichwährungsländer wie Portugal und Griechenland weit hinter sich gelassen haben. Auch das im Herbst veröffentlichte Ranking des World Economic Forums zur Wettbewerbsfähigkeit (siehe Grafik) bestätigt dieses Bild.

World Economic Forum

Wenn schon die Angleichung der Lohnstückkosten auf europäischer Ebene nicht möglich ist, wäre es dann zumindest sinnvoll, die Steuern anzugleichen? Der Wirtschaftswissenschaftler Breuss ist so wie viele seiner Kollegen auch hier skeptisch: „Unterschiedliche Steuern können derzeit Wettbewerbsnachteile ausgleichen.“ Eine Harmonisierung wäre in diesem Sinne nicht sinnvoll. Freilich sehen Experten auch problematische Ausreißer wie Irland, das mit seiner extrem niedrigen Körperschaftsteuer eine Verzerrung im Standortwettbewerb ausgelöst hat.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 17.12.2010)

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