Luxemburgs Außenminister sieht Ungarns Mediengesetz als Gefahr für Demokratie. Kritik kommt auch vom Europaparlament und der OSZE, die vor einem möglichen Maulkorb für kritische Medien warnen.
Luxemburg/Ag., cd. Mit starken Worten hat der Luxemburger Außenminister, Jean Asselborn, Ungarns Regierung für das von ihr durchgesetzte neue Mediengesetz verurteilt. In Anspielung auf die kommende EU-Präsidentschaft des Landes sagte er: „Es stellt sich die Frage, ob ein solches Land würdig ist, die EU zu führen.“ Denn das Land gefährde europäische Werte.
Kritik kommt auch vom Europaparlament und der OSZE, die vor einem möglichen Maulkorb für kritische Medien warnen. Die deutsche Bundeskanzlerin, Angela Merkel, hat die ungarische Regierung vor einer Verletzung rechtsstaatlicher Prinzipien gewarnt. „Es wäre eigentlich die Aufgabe einer Ratspräsidentschaft, Entwicklungen wie die Beschneidung der Pressefreiheit kritisch zu verfolgen und auch zur Sprache zu bringen“, sagte der stellvertretende Vorsitzende der Sozialdemokraten im Europaparlament, Hannes Swoboda. Er kündigte an, dass seine Fraktion im Europaparlament nicht tatenlos der problematischen Entwicklung in Ungarn folgen werde. Regierungsvertreter in Budapest versicherten hingegen, das neue Mediengesetz entspreche europäischen Normen.
Ungarns Parlament hat in der Nacht auf Dienstag mit einer Zweidrittelmehrheit ein Mediengesetz verabschiedet, das der von der rechtsnationalen Regierungspartei Fidesz kontrollierten Medienbehörde neben der Aufsicht der staatlichen Medien nun auch die Kontrolle über private Fernseh- und Radiosender sowie Zeitungen erteilt. Aus Gründen der öffentlichen Sicherheit gibt es nun Einflussmöglichkeiten auf Medien und auf eine Aushöhlung des Redaktionsgeheimnisses. Verstöße werden unter hohe Strafen gestellt, außerdem droht der Entzug der Lizenz durch den Staat.
„Dies ist eine direkte Gefahr für die Demokratie. Hier wird die Meinungsbildung unter die Kontrolle des Staates gestellt“, so Asselborn. Der Luxemburger Minister ging so weit, Ungarn mit Weißrussland zu vergleichen. „Bisher galt Lukaschenko als der letzte Diktator Europas. Wenn das Gesetz in Kraft tritt, stimmt das nicht mehr.“
Asselborn spielte auch auf die Sanktionen gegen Österreich im Jahr 2000 an. „Im Vergleich zu den ungarischen Plänen war Haider ein Messdiener.“ Der Österreicher habe nie versucht, die Medien unter staatliche Kontrolle zu stellen.
Parallelen zu Österreich 2001
Was nicht ganz stimmt: 2001 gab es auch in Österreich helle Empörung über die Pläne des damaligen FPÖ-Justizministers. Dieter Böhmdorfer setzte an einem Punkt an, der seinen Freund Jörg Haider seit Langem quälte. Dieser wollte nämlich längst „Ordnung schaffen in diesem Sumpf von Indiskretionen“. Böhmdorfer plante, Journalisten das Zitieren aus gerichtlichen Vorverfahren zu verbieten. Zwar wurden schutzwürdige Interessen Dritter vorgeschoben, doch interpretierten viele die geplante Gesetzesänderung als Maulkorberlass. Noch dazu wurden nicht bloß Geldstrafen, sondern bis zu sechs Monate Haft angedacht. In dieser Form wurde der „Journalistenparagraf“ nie eingeführt, in kleinem Ausmaß (für Pflegschaftsverfahren) allerdings schon.
„Wir beobachten und evaluieren die Situation, um zu sehen, ob Gesetze und Grundsätze der EU verletzt werden“, sagte ein Sprecher von Kommissionspräsident José Manuel Barroso zur Situation in Ungarn. „Die Kommission misst der Pressefreiheit einen sehr hohen Wert zu.“ Einen Zeitplan für die Prüfung gebe es aber nicht.
("Die Presse", Print-Ausgabe, 23.12.2010)