Streit um den Euro-Rettungsschirm

(c) AP (SVEN KAESTNER)
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Die EU-Kommission will den 440-Milliarden Euro umfassenden Finanzstabilitätsfonds für marode Euroländer rasch ausweiten und holt sich von den tonangebenden EU-Staaten Deutschland und Frankreich eine Abfuhr.

Brüssel.Sind 750 Milliarden Euro genug, um den Bankrott weiterer Euroländer abzuwehren? Über diese aktuell wichtigste politische Frage Europas ist am Mittwoch ein Streit zwischen der Europäischen Kommission und den tonangebenden EU-Staaten Deutschland und Frankreich ausgebrochen.

Die Kommission forderte, den 440 Milliarden Euro umfassenden Finanzstabilitätsfonds auszuweiten, der gegen Haftungen der Euroländer Anleihen zur Finanzierung von Rettungspaketen wie dem irischen begibt. Diese Fazilität ist der Kern des 750-Milliarden-Euro-Mechanismus für marode Euroländer, auf den sich die Europäer mit dem Internationalen Währungsfonds (IWF) im Mai 2010 geeinigt haben. Der IWF stellt 250 Milliarden Euro zur Verfügung, weitere 60 Milliarden Euro kommen aus dem laufenden EU-Budget.

„Wir glauben, dass die Finanzierungskapazität des Mechanismus verstärkt und der Rahmen seiner Tätigkeiten erweitert werden muss", sagte Kommissionspräsident José Manuel Barroso bei der Vorstellung des sogenannten Jahreswachstumsberichts 2011. „Es ist wichtig, dass dieses Instrument den Finanzmärkten zeigt, dass die Eurozone nicht in Gefahr ist. Das ist eine vorbeugende Maßnahme, die Sinn hat, wenn man eine gemeinsame Währung, aber unterschiedliche Fiskalpolitiken hat", erklärte Barroso. Schon beim nächsten EU-Gipfeltreffen der Staats- und Regierungschefs am 4. Februar könnten die hiefür erforderlichen Beschlüsse fallen.

Njet aus Berlin und Paris

„Das Volumen des Fonds ist mit einem Land, Irland, noch lange nicht ausgeschöpft", wehrte die deutsche Kanzlerin Angela Merkel das Begehr des Kommissionspräsidenten ab. Ihr Sprecher Steffen Seibert legte nach: „Die Bundesregierung findet, dass es nicht sinnvoll und auch nicht notwendig ist, jetzt über eine Erweiterung des Rettungsschirmes zu sprechen." Aus der Umgebung von Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble verlautete am Mittwochabend, dass das Volumen des Rettungsschirms von 750 Milliarden Euro nicht aufgestockt werde. Vielmehr solle aber sichergestellt werden, dass der Beitrag der Euro-Partner von 440 Milliarden Euro auch tatsächlich zur Verfügung stehe. Dafür müsste die Garantiesumme auf bis zu 700 Milliarden Euro heraufgesetzt werden.

Reaktion aus Frankreich: Man gehe davon aus, dass der Topf in seinem jetzigen Umfang groß genug sei. Am Montag werden die Finanzminister der Eurozone über diese Frage beraten.

Barroso und Währungskommissar Olli Rehn bemühten sich am Mittwoch, die Staaten zu einer stärkeren Sanierung ihrer Haushalte und besseren Abstimmung der Wirtschafts- und Fiskalpolitik anzuhalten. „Ohne vertiefte fiskalische Abstimmung sind wir den Finanzmärkten ausgeliefert", warnte Rehn. „Alle Mitgliedstaaten müssen heuer beginnen, ihre Defizite um jährlich mehr als 0,5 Prozent der Wirtschaftsleistung zu senken." Es ist bis zu einer Verdoppelung auf 1,0 Prozent die Rede.
Eine bessere Abstimmung der Haushaltspolitik soll das „Europäische Semester" bringen. Ab 2012 sollen alle 27 EU-Staaten ihre budgetären Vorausschauen zeitlich abgestimmt nach Brüssel liefern.

Kritiker halten das aber für nutzlos, um die aktuelle Krise der Währungsunion zu beenden. „Wer hat denn das Sagen? Die Anleihenmärkte, nicht der Finanzministerrat. Wenn die Märkte nicht zahlen, ist das das Ende der Geschichte", sagte Daniel Gros vom Centre for European Policy Studies am Mittwoch. „All das hat null Auswirkung auf die aktuelle Krise und vielleicht einen marginalen Einfluss darauf, der nächste Krise rund ums Jahr 2020 vorzubeugen." John Wyles, früher Leiter des EU-Büros der „Financial Times" und nun Berater des European Policy Centre, eines anderen Thinktanks: „Was am Europäischen Semester ist neu und mehr als nur die Möglichkeit, leere Gesten zu machen? Die Märkte wissen nicht, was das soll. Und ich auch nicht."

Auf einen Blick

440 Mrd. Euro umfassen die Haftungen für den Schutzschirm maroder Euroländer. Ein Teil muss als Risikovorsorge beiseitegelegt werden. Darum stehen nicht alle 440 Mrd. für Hilfen zur Verfügung.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 13.01.2011)

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