Asylpolitik wackelt: EU-Land nach Abschiebung verurteilt

Dublin wackelt EULand wegen
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Belgien hat einen Afghanen nach gängiger EU-Praxis an Griechenland "zurückgeschoben". Beide Länder müssen dem Asylwerber deshalb Schadenersatz zahlen. Das Urteil stellt die Dublin-II-Verordnung in Frage.

Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) hat am Freitag die Abschiebung eines afghanischen Asylbewerbers aus Belgien nach Griechenland verurteilt.

Der Spruch dürfte massive Auswirkungen auf die Asylpolitik der Europäischen Union nach sich ziehen. Denn mit dem EGMR-Urteil wurde auch die Dublin II-Verordnung infrage gestellt, wonach Flüchtlinge in das EU-Land zurückgeschickt werden können, indem sie den Erstantrag gestellt haben.

Der EGMR urteilte, die belgischen Behörden hätten Asylwerber nicht nach Griechenland abschieben dürfen. So habe es konkret bei dem Afghanen eine Verletzung von Artikel 3 (Verbot unmenschlicher und erniedrigender Behandlung) durch Griechenland aufgrund der Haft- und der Lebensbedingungen des Beschwerdeführers gegeben.

Außerdem registrierten die Richter eine Verletzung von Artikel 13 (Recht auf wirksame Beschwerde) in Verbindung mit Artikel 3 durch Griechenland aufgrund der Mängel des dortigen Asylverfahrens im Fall des Beschwerdeführers.

"Mangelhaftem Asylsystem ausgesetzt"

Schließlich wurde Belgien aufgrund der Überstellung des afghanischen Flüchtlings nach Griechenland verurteilt, weil der Asylwerber dem "dortigen mangelhaften Asylsystem und den damit verbundenen Risiken sowie den dortigen Haft- und Lebensbedingungen ausgesetzt" war. Die Flüchtlingssituation in Griechenland als "katastrophal".

Der EMGR stellte auch eine Verletzung von Artikel 13 durch Belgien fest, weil der Beschwerdeführer nach dortigem Recht über keinen wirksamen Rechtsbehelf gegen seine Überstellung verfügte.

Dem afghanischen Asylwerber muss Griechenland 1000 Euro für den erlittenen immateriellen Schaden und 4725 Euro für die entstandenen Kosten zahlen. Belgien hat dem Beschwerdeführer 24.900 Euro für den erlittenen immateriellen Schaden und 7350 Euro für die entstandenen Kosten zu zahlen.

Auswirkungen auf Österreich?

Welche Auswirkungen hat der Richterspruch auf Österreich? Im Innenministerium wurde bereits vor dem EMGR-Spruch am Donnerstag betont, dass man verstärkt vom Selbsteintrittsrecht im Dublin-Verfahren Gebrauch mache. Das heißt, dass Asylanträge in Österreich behandelt werden, auch wenn gemäß dem Dublin-II-Abkommen Athen zuständig wäre.

Österreich helfe überdies mit, die Situation in Griechenland zu verbessern - auf EU-Ebene und auch bilateral. So habe man Experten nach Griechenland geschickt, um die dortigen Asylbehörden zu unterstützen.

(Ag.)

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