Aus Erzfeinden werden neue Freunde - trotz alter nationalistischer Vorbehalte. Es sei besser, den Aufbau des gegenseitigen Vertrauens zwischen Slowaken und Ungarn voranzutreiben, so Außenminister Dzurinda.
Bratislava. Während halb Europa derzeit die ungarische Regierung von Viktor Orbán kritisiert, verhält sich ausgerechnet „Erzfeind“ Slowakei erstaunlich still. Und die Ungarn scheinen das neue Versöhnungsklima zu stützen, indem sie die ausgestreckte Hand ergreifen.
Ungarns Ex-Präsident László Sólyom hatte jahrelang nur „Privatbesuche“ bei ungarischen Nationalistenveranstaltungen wie der Einweihung eines ungarischen Königsdenkmals in der Slowakei absolviert, aber tunlichst vermieden, seinen Amtskollegen Ivan Gašparovič ganz offiziell treffen zu müssen. Sein Nachfolger Pál Schmitt nahm hingegen die Einladung nach Bratislava bereitwillig an. Als Belohnung bekam er ausgerechnet zu einer Zeit heftiger Ungarn-Schelte die „absolute Unterstützung“ der Slowakei für ein Gelingen des ungarischen EU-Ratsvorsitzes zu hören.
Verknüpfte regionale Interessen
Aufgrund der eng verknüpften regionalen Interessen zwischen beiden Ländern wäre ein Misserfolg der Ungarn auch einer der Slowakei, sagte Gašparovič. Das slowakische Staatsoberhaupt setzte damit unübersehbar eine seit Monaten anhaltende Charmeoffensive fort, räumt aber ein: „Wir wollen nichts vertuschen: Neben einer ausgezeichneten Zusammenarbeit gibt es zwischen uns auch Probleme, die diese Arbeit bremsen.“
Hinter der neuen slowakischen Sanftmut gerade in Zeiten internationaler Kritik an Ungarn steckt durchaus System, wie Außenminister Mikuláš Dzurinda zugibt: „Jetzt könnten wir natürlich in die große Trompete blasen. Aber das sähe so aus, als würden wir die Gelegenheit missbrauchen.“ Viel besser sei es, stattdessen gerade jetzt den Aufbau des gegenseitigen Vertrauens zwischen Slowaken und Ungarn voranzutreiben.
Ärger über Großungarn-Nostalgie
In der Vergangenheit hatten slowakische Spitzenpolitiker immer wieder Ungarn und vor allem dem früheren Oppositionsführer und nunmehrigen Premier Viktor Orbán eine nationalistische Politik und „Großungarn-Nostalgie“ vorgeworfen. Vor dem von vielen Ungarn als „historisches Unrecht“ bezeichneten Friedensvertrag von Trianon nach dem Ersten Weltkrieg hatte die ganze Slowakei zu Ungarn gehört. Die damalige Grenzziehung schlug gemischtsprachige Gebiete der damaligen Tschechoslowakei zu und bewirkte, dass bis heute knapp zehn Prozent der slowakischen Bevölkerung zur ungarischen Minderheit gehören. Die Slowakei war aber auch schon zur Zeit der EU-„Sanktionen“ gegen Österreich durch noble Zurückhaltung aufgefallen.
("Die Presse", Print-Ausgabe, 26.01.2011)