Plan für Wirtschaftsregierung spaltet EU

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Nach langem Zaudern in der Schuldenkrise ergreift die deutsche Kanzlerin Angela Merkel jetzt die Initiative und schlägt einen "Pakt für Wettbewerbsfähigkeit" vor - zur Sorge der anderen EU-Mitgliedsstaaten.

Brüssel/Wien. Einen „Pakt für Wettbewerbsfähigkeit“ – den werden Angela Merkel und Nicolas Sarkozy ihren 25 Amtskollegen beim heutigen EU-Gipfeltreffen zum Mittagessen servieren. Europaweit wollen sie damit ein höheres Pensionsantrittsalter ebenso erwirken wie eine moderate Lohnpolitik, einheitliche Bemessungsgrundlagen für Unternehmenssteuern und die Einführung verfassungsmäßiger Schuldenbremsen nach deutschem Vorbild.

Das deutsch-französische Paar will also all jene Themen der Wirtschaftspolitik unter einen europäischen Hut bringen, die bisher in der ausschließlichen Zuständigkeit der 27 Mitgliedstaaten liegen. Denn Fragen der Haushaltsführung, der Lohnfindung oder der Steuerpolitik schlagen direkt auf die Währungsunion und damit den Euro durch. Und der hat seit Ausbruch der griechischen, irischen, spanischen und portugiesischen Finanzkrisen einige mächtige Beulen abbekommen.

„Es ist ein Signal nötig, dass wir die wirtschaftspolitische Koordinierung in der Eurozone verbessern, um die Wettbewerbsfähigkeit zu erhöhen. Das würde die Glaubwürdigkeit der Eurozone stärken“, fasste ein hoher Berliner Regierungsvertreter die Idee zusammen.

Wirtschaftspolitik wird Chefsache

Es geht also um das, was seit Beginn der Eurokrise im Vorjahr immer wieder als „Wirtschaftsregierung“ in die Schlagzeilen kam. Und die „Wirtschaftsregierung“ – das „Gouvernement économique“, die „Economic Governance“ – ist nach dem klaren Willen von Merkel und Sarkozy Chefsache. Sprich: Der Europäische Rat, das Gremium der 27 Staats- und Regierungschefs unter Vorsitz von Ratspräsident Herman Van Rompuy, ist Europas Wirtschaftsregierung.

Bloß: Eine demokratische Grundlage hat das nicht. Denn in dieser Wirtschaftsregierung geben Deutschland und Frankreich den Ton an, und die anderen 25 ziehen murrend nach. Das hat im Vorfeld des heutigen Gipfels bereits für Widerstand gegen diesen Vorstoß in einigen Mitgliedstaaten gesorgt. Es gibt auch keine rechtliche Grundlage für eine so weitreichende Entscheidung etwa durch Festschreibung im EU-Vertrag. Es gibt lediglich einen politischen Deal: Deutschland könnte höheren Garantien für den Euro-Rettungsschirm zustimmen, wenn es im Gegenzug mehr politische Kontrolle und strengere Haushaltsregeln für alle Euroländer erreicht.

EU-Parlament und EU-Kommission bleiben da im Abseits. Die Kommission soll nach Wunsch der Deutschen zwar die Einhaltung vereinbarter Budget- und sonstiger Reformziele prüfen. Durchsetzungsmacht in Form von Sanktionen erhält sie aber nicht. „Die Kommission heißt die Vertiefung und Beschleunigung der wirtschaftlichen Abstimmung und Aufsicht willkommen“, sagte Kommissionspräsident José Manuel Barroso am Mittwoch im Europaparlament. Er schränkte aber ein: „Wir würden unser Anliegen nicht fördern, würden parallele Strukturen in einer letztlich inkohärenten Weise arbeiten.“

Die Sozial- und Fiskalpolitik zu „vergemeinschaften“, also auf EU-Ebene zu heben, mit echter Kontrolle durch Kommission und EU-Parlament – daran denken Merkel und Sarkozy nicht. „Ich sehe keine politische Bereitschaft in der EU, diese tragende Rolle auf europäische Institutionen zu heben“, so der deutsche Regierungsvertreter. Soll also am deutschen Wesen Europa genesen? „Nur die Eurozone“, antwortete er mit Schmunzeln.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 4. Februar 2011)

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