Wettbewerbspakt: "Deutsch-französischer Putsch"

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Der Vorschlag von Angela Merkel und Nicolas Sarkozy für eine stärkere Koordinierung der Wirtschaft in der Eurozone trifft auf wachsenden Widerstand sowohl bei EU-Regierungen und als auch bei EU-Abgeordneten.

Brüssel/Ag./Wb. Beim letzten EU-Gipfel vergangene Woche ist die Idee mit einigem Murren aufgenommen worden. Doch langsam finden immer mehr EU-Regierungen und auch Vertreter des Europaparlaments klare Worte gegen den von Deutschlands Bundeskanzlerin Angela Merkel und Frankreichs Staatspräsident Nicolas Sarkozy vorgeschlagenen „Pakt für Wettbewerbsfähigkeit“.

Widerstand kommt aus Italien, Belgien, Luxemburg, Spanien und auch aus Österreich. Vielen Regierungen gehen die Vorschläge zu weit, denn sie enthalten mögliche Eingriffe in die nationale Steuer-, Sozial- und Lohnpolitik. Europa sei noch nicht so weit, über die Harmonisierung von Steuern zu sprechen, wandte der italienische Außenminister Franco Frattini zuletzt ein. Rom spricht sich auch strikt gegen die von Merkel und Sarkozy vorgesehene europaweite Verankerung einer Schuldenbremse nach deutschem Muster aus. Sie würde die Aufnahme neuer Schulden innerhalb eines Konjunkturzyklus gesetzlich verbieten.

Bundeskanzler Werner Faymann (SPÖ) geht ebenso wie seinem belgischen Amtskollegen Yves Leterme die Einflussnahme auf Löhne und Pensionen zu weit. Denn es wurde von deutscher Seite angedacht, alle Eurostaaten zu zwingen, die Bindung von Lohnerhöhungen an Inflationsraten aufzuheben beziehungsweise das Pensionsantrittsalter an die höhere Lebenserwartung anzupassen.

Zwar wird die von Merkel angestrebte Erhöhung der Wettbewerbsfähigkeit positiv bewertet, nicht aber die konkreten Vorschläge und schon gar nicht die gewählte Vorgangsweise. Von einem „deutsch-französischen Putsch“ spricht der grüne Fraktionschef im Europaparlament, Daniel Cohn-Bendit. Neben den Grünen kritisieren auch die Liberalen, Sozialdemokraten und einzelne christdemokratische Abgeordnete die Entwicklung einer europäischen Wirtschaftsregierung abseits von EU-Kommission und Europaparlament. Merkel und Sarkozy wollen die Umsetzung der neuen Regeln für mehr Wettbewerbsfähigkeit nämlich auf Ebene der Staats- und Regierungschefs ansiedeln.

Der Chef der liberalen Fraktion im Europaparlament, Guy Verhofstadt, forderte Kommissionspräsident José Manuel Barroso in einem Schreiben auf, selbst initiativ zu werden. „Das Fehlen solcher Vorschläge (der Kommission, Anm.)kann nur dazu führen, dass manche Mitgliedsländer glauben, dass es besser ist, es selbst zu machen, wie die jüngsten deutsch-französischen Vorschläge treffend zeigen.“ Es sei „höchste Zeit, dass die EU-Kommission ein globales und kohärentes Paket zur wirtschaftlichen Steuerung der Eurozone“ vorlege.

Einbindung der EU-Institutionen

Drei führende österreichische Europaabgeordnete, Othmar Karas (ÖVP), Hannes Swoboda (SPÖ) und Ulrike Lunacek (Grüne), hatten bereits vergangene Woche in einer parteiübergreifenden Initiative eine Einbindung von EU-Kommission und Europaparlament gefordert.

Belgiens Außenminister Steven Vanackere schlug angesichts des massiven Widerstands gegen die deutsch-französischen Pläne vor, dass EU-Kommission und EU-Ratspräsident Herman Van Rompuy „wirkliche Vorschläge“ für den im März geplanten Sondergipfel zum neuen Wettbewerbspakt vorlegen. Er betrachte die Vorschläge von Merkel und Sarkozy nicht als offiziell, sagte er nach einem Treffen mit seinem deutschen Amtskollegen Guido Westerwelle.

Dass es etliche Regierungen gebe, die über die vorgelegten Ideen diskutieren wollten, sei beabsichtigt gewesen, heißt es dazu aus Berliner Regierungskreisen. „Es handelt sich schließlich um den Anfang, nicht um das Ende einer Debatte.“

Wann der Sondergipfel zur Klärung der offenen Fragen zum Wettbewerbspakt stattfinden soll, war bis zuletzt offen. Im Gespräch war der 11. oder 13.März.

Auf einen Blick

Pakt für Wettbewerbsfähigkeit. Der von Berlin und Paris forcierte Pakt soll alle Euroländer zu strenger Haushaltsdisziplin und einer wettbewerbsfähigen Wirtschaftspolitik zwingen. Im Gegenzug ist Berlin bereit, den Euro-Rettungsschirm zu verstärken.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 10.02.2011)

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