Atomkraft: Grüne für EU-Volksabstimmung

Atomkraft: Grüne für EU-Volksabstimmung
Atomkraft: Grüne für EU-VolksabstimmungGrüne Chefin Eva Glavischnig (c) Reuters (Lisi Niesner)
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Die Abgeordneten Glawischnig und Pilz fordern Regierungs-Aktivitäten gegen ein "Japan vor der Haustür". Indes schießt sich FP-Chef Strache auf den Umweltminister ein: "Stresstest für Atomkraftwerke läuft derzeit".

Die Grünen fordern einen vehementen Einsatz Österreichs für den Ausstieg Europas aus der Atomenergie. Die Regierung soll sich für eine EU-Volksabstimmung darüber und die sofortige Abschaltung der grenznahen Hochrisiko-AKW engagieren, verlangte Parteichefin Eva Glawischnig am Dienstag in einer Pressekonferenz. "Japan liegt vor der Haustür", warnte Sicherheitssprecher Peter Pilz. Er hat eine Sitzung des Nationalen Sicherheitsrates beantragt; dieser müsse sich binnen zehn Tagen mit der "extrem hohen Sicherheitsgefährdung" durch die grenznahen AKW befassen.

In maximal 180 Kilometer Entfernung zu jedem Ort Österreichs gebe es "schwerst erdbebengefährdete" AKW alter Bauart - in Bohunice (Slowakei), Krsko (Slowenien) und Fessenheim (Frankreich). Bohunice etwa sei für Belastungen bis der Stufe 8 nach der MSK 64-Skala (ungefähr 5,5 nach Richterskala) ausgelegt, also Beben, bei denen noch keine Gebäude einstürzen. Mit solchen Beben müsse - wie auch der NÖ Zivilschutzverband festgestellt habe - in dieser Region gerechnet werden, erklärte Pilz.

Wohl "nicht beherrschbar" wäre in all diesen AKW ein Multifunktionsversagen, wie es in Japan mit Ausfall der Stromversorgung, der Kühlung und dergleichen vorkam; dazu gebe es nicht einmal Untersuchungen. Zudem hätten all diese Reaktoren - wie auch Isar 1 (Deutschland) und Dukovany (Tschechien) - keine Schutzhülle ("Containment"), sondern nur ein Schutzsystem ("Confinement"). Sie könnten also vor terroristischen Anschlägen nicht geschützt werden; bei Angriffen wäre mit einem GAU zu rechnen.

Pilz fordert Ultimatum für AKW-Länder

Im Sicherheitsrat will Pilz mit der Regierung beraten, wie Österreich die Stilllegung dieser AKW erreichen kann. Pilz plädiert für eine Unterstützung, zumindest der Slowakei und Sloweniens - in einer "Art Lebensversicherung". Bei "fehlender Kooperation" müsse es aber ein Ultimatum und Konsequenzen geben.

Glawischnig will die "Bewegung" nützen, die mit der japanischen Katastrophe in die Diskussion gekommen sei. Österreich müsse jetzt "Druck" auf die Kanzlerin Angela Merkel (CDU) für den Ausstieg Deutschlands aus der Atomenergie ausüben - und sich europaweit für den Verzicht auf AKW einsetzen. SP-Kanzler Werner Faymann soll sich im EU-Rat für eine EU-Volksabstimmung einsetzen. Diese wäre zwar kein juristisch verbindliches Instrument, aber eine "politische Aktion", um jetzt "die Notbremse zu ziehen". Notfalls könnte man auch eine - mit dem Lissabon-Vertrag ermöglichte - EU-Bürgerinitiative starten.

Glawischnig will eine solche Initiative der Regierung im heutigen EU-Unterausschuss beantragen - und auch einen Bericht der Regierung in der nächsten Nationalratssitzung über ihre Aktivitäten. "Jederzeit" seien die Grünen bereit, den Antrag für die von der FPÖ angestrebte Sondersitzung des Nationalrates zu unterschreiben. Die Blauen hätten bisher aber keinen Kontakt mit ihnen aufgenommen.

FPÖ: Berlakovich "spielt auf Zeit"

Der Vorschlag von VP-Umweltminister Niki Berlakovich angesichts der Atom-Katastrophe in Japan sogenannte "Stresstests" für Atomkraftwerke durchzuführen, sei nichts anderes als ein "Spielen auf Zeit" und eine "Beschwichtigungsstrategie" für die Bevölkerung. Das erklärte der Umweltsprecher der FPÖ, Norbert Hofer, am Dienstag in einer Aussendung.  "Der Stresstest für Atomkraftwerke findet derzeit in Japan statt", so Hofer, der "nicht ganz nachvollziehen kann, was es da noch zu untersuchen oder zu testen gibt". Parteiobmann Heinz-Christian Strache forderte erneut einen Sondersitzung des Nationalrates.

Atomkraft sei eine gescheiterte Technologie, betonte Hofer der die einzige zu ergreifende Maßnahme in einem Abschaltplan für alle rund um Österreich angesiedelte Atomkraftwerke sieht. "Die Sicherheit der Bevölkerung muss Vorrang vor wirtschaftlichen Interessen haben", begründete Hofer. "Beenden wir den Irrweg der Atomkraft, bevor es zu spät ist", appellierte er an alle Politiker in der EU.

Besonders die ÖVP, mit Umweltminister Berlakovich und "Atomlobbyisten (Wolfgang) Schüssel", sei gefordert eine "klare Linie gegen die Nutzung der Atomenergie einzuschlagen", so Hofer. Schüssel müsse sich entscheiden ob er "lieber Atomlobbyist oder Nationalratsabgeordneter ist", sagte Hofer, der beide Positionen zusammen für unvereinbar mit dem Anti-Atom-Konsens der Republik hält.

Parteichef Strache zeigte sich in einer Aussendung "erschüttert" über die Ereignisse in Japan". Es müsse "alles daran gesetzt werden, ein ähnliches Schreckensszenario in Europa zu verhindern". In Österreich solle eine Sondersitzung des Nationalrats der Start für eine europa- und außenpolitische Initiative zum europaweiten Atomkraftausstieg sein, wiederholte Strache seine Forderung vom Montag. Den Versuchen, die Atomkraft unter dem Deckmäntelchen des Klimaschutzes weiter zu forcieren, sei endgültig eine unmissverständliche Absage zu erteilen. Der rot-schwarzen Bundesregierung warf Strache vor, in den Bemühungen für ein atomkraftfreies Europa völlig versagt zu haben.

(Ag.)

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