Neue Portugal-Krise überschattet Gipfel zur Eurorettung

(c) AP (Yves Logghe)
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Hinter den Kulissen werden Notkredite über 50 bis 100 Milliarden Euro vorbereitet. Nach Griechenland und Irland wird das dritte Mitglied der Währungsunion ohne fremde Hilfe zahlungsunfähig sein.

Brüssel. Während Europas Staatsführer am Donnerstag bei ihrem Brüsseler Gipfeltreffen damit beschäftigt waren, ein Paket wirtschaftspolitischer Reformen zu einem „Euro-Plus-Pakt“ zusammenzustückeln, bereiteten ihre Kabinette hinter den Kulissen die Lösung des derzeit dringendsten Problems der Eurozone vor. Noch vor dem Sommer wird Portugal bei den anderen EU-Ländern um milliardenschwere Hilfe ansuchen, weil es dann keine neuen Schulden mehr zu tragbaren Zinssätzen aufnehmen wird können. Nach Griechenland und Irland wird somit innerhalb nicht ganz eines Jahres das dritte Mitglied der Währungsunion ohne fremde Hilfe zahlungsunfähig sein.

75 Mrd. Euro sind „angemessen“

„Portugals Rettung wird heute und morgen bei den Gipfelgesprächen eines der Topthemen sein“, sagte ein hochrangiges Regierungsmitglied eines Eurolandes am Donnerstag zur Nachrichtenagentur Dow Jones. „Es hat erste Gespräche über den Umfang gegeben, wahrscheinlich etwas zwischen 50 Milliarden und 100 Milliarden Euro“, fügte diese Person hinzu.

Ein Hilfspaket im Ausmaß von 75 Milliarden Euro sei „angemessen“, sagte Luxemburgs Ministerpräsident Jean-Claude Juncker zum französischen Fernsehsender „France 24“. Juncker ist auch Chef der Eurogruppe, also der Finanzminister der 17 Euroländer.

Zum Zeitpunkt des Beginns des Gipfeltreffens am späten Nachmittag war es unwahrscheinlich, dass der am Mittwoch zurückgetretene Ministerpräsident José Sócrates schon jetzt um Hilfe bitten würde. Denn Sócrates führt seine Amtsgeschäfte nur provisorisch. Die anderen Euroländer, die EU-Kommission, der Internationale Währungsfonds und der Krisenfonds EFSF brauchen aber einen zuverlässigen Ansprechpartner, mit dem sie die Bedingungen einer Hilfsaktion samt politischen Reformen vereinbaren können. Das geht mit Sócrates nicht.

Irlands offenes Bankenproblem

Mehrere Diplomaten und EU-Beamte, mit denen „Die Presse“ sprach, betonten fast wortgleich, dass es verkraftbar wäre, würde Portugal um Hilfe ansuchen. „Niemand will es Portugal wünschen, aber wenn die Märkte kein Vertrauen fassen, ist das Gesamtpaket ein Signal, dass das möglich wäre“, sagte ein EU-Beamter.

Auch Irlands Malaise überschattet den Gipfel. Die neue christdemokratische Regierung unter Enda Kenny will niedrigere Zinsen für den 85-Milliarden-Euro-Kredit zahlen, den sie seit Ende 2010 vom EFSF bekommt.

Als Gegenleistung dafür verlangen Deutschland und Frankreich, dass Irland den Satz seiner Körperschaftsteuer von derzeit 12,5 Prozent erhöht. Das wäre aber politischer Selbstmord für Kenny.

Nun ist zu erwarten, dass Irland im April seine maroden Banken einem Stresstest unterzieht, der noch einige schwere bilanzielle Probleme ans Licht bringen dürfte. Die Regierung muss die Banken dann noch schneller gesundschrumpfen als bisher. Kenny wird dies in Brüssel als Angebot an Deutschlands Kanzlerin Angela Merkel verwenden – und als Drohung. Denn die deutschen Banken hatten laut der Bank für Internationalen Zahlungsausgleich per Ende September 2010 gegenüber irischen Banken 57,8 Milliarden Euro an Forderungen offen.

Als problematisch könnten sich auch die Vorbehalte kleinerer Europartner herausstellen. Länder wie die Slowakei stellen den Rettungsschirm aus innenpolitischen Gründen infrage, und zwar als Ganzes. Das ärgert Österreichs Bundeskanzler. „Ich habe kein Verständnis dafür, wenn einer sagt, macht nur, aber wir machen nicht mit“, sagte Werner Faymann.

Faymann und die Opposition

Doch auch Faymann muss ein innenpolitisches Signal setzen. In seinem Fokus: eine möglichst hohe Beteiligung privater Investoren an der Rettung eines Eurolandes. Das ist beim ESM ab 2013 vorgesehen. Wie sehr private Gläubiger einbezogen werden, richtet sich danach, ob die Verschuldung des Landes auf Dauer tragbar ist. Ist ein Staat nicht in der Lage, seine Schulden zu bedienen, muss er über einen Forderungsverzicht verhandeln. Faymann braucht für die SPÖ, vor allem aber gegenüber der Opposition ein Signal, dass der ESM kein reines Hilfsprogramm auf Kosten der Steuerzahler wird. Österreich zahlt in zwei Tranchen 2,2 Milliarden Euro ein und gibt Garantien für 17,6 Milliarden Euro ab.

Das Europaket muss in Österreich durch drei Gesetze im Nationalrat abgesegnet werden, eines mit Zweidrittelmehrheit. Auf FPÖ und BZÖ kann Faymann nicht bauen. Und die Grünen zieren sich, einer Änderung des EU-Vertrags zuzustimmen. Faymann spricht diffus von „besseren Informationen“, welche die Grünen wünschten. Im Endeffekt geht es wohl um Zugeständnisse in anderen als nur europäischen Fragen.

Portugal siehe auch Seite 15

("Die Presse", Print-Ausgabe, 25.03.2011)

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