Bestechung: Abgeordnete in Österreich privilegiert

Bestechung Abgeordnete oesterreich privilegiert
Bestechung Abgeordnete oesterreich privilegiert(c) Dapd (Lilli Strauss)
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Wenn österreichische Abgeordnete parlamentarische Anfragen stellen oder anderes Lobbying betreiben, sind sie straffrei, weil dabei keine parlamentarischen Pflichten, sondern bloße Rechte ausgeübt werden.

Innsbruck. Der Fall des österreichischen EU-Abgeordneten Ernst Strasser gibt Anlass, einen Blick auf das geltende österreichische Korruptionsstrafrecht zu werfen, das gerade im Bereich der Abgeordneten besonders diskussionswürdig ist. Strasser soll sich gegenüber als Lobbyisten getarnten Journalisten bereit erklärt haben, gegen Geld EU-Recht zu beeinflussen.

Ein EU-Parlamentarier gilt nach dem österreichischen Strafgesetzbuch als Amtsträger. Als solcher kann er sich strafbar machen, wenn er einen Vorteil für sich fordert, annimmt, oder sich versprechen lässt. Lässt sich der Mandatar bestechen, um ein pflichtwidriges Amtsgeschäft zu verrichten, droht bis zu drei Jahre Haft (bei einer Korruptionssumme über 50.000 Euro: bis zu zehn Jahre).

Nach weiteren Normen strafbar ist aber auch ein Mandatar, der sich für ein an sich korrektes Amtsgeschäft bestechen lässt. Und selbst bereits die Annahme von Vorteilen für die Anbahnung eines künftigen Amtsgeschäfts ist verboten. Dass das Einbringen von Anträgen zu den Amtsgeschäften eines Abgeordneten zählt, daran ist nicht zu zweifeln. Zu hinterfragen wäre allerdings, ob man es schon als Amtsgeschäft ansehen kann, wenn ein Abgeordneter seine Kollegen für die Einbringung eines Abänderungsantrags zu gewinnen sucht, weil der Betreffende dazu (allein) nicht berechtigt ist. Dies soll im Fall Strasser passiert sein.

Von großer Bedeutung ist die Frage, wann das Verhalten eines Abgeordneten pflichtwidrig ist. Die wichtigsten Pflichten sind die Teilnahme an den Sitzungen und die Abgabe der Stimme. Wie der Abgeordnete seine Stimme abgibt, welche Anfragen und Anträge er stellt, liegt freilich in seinem Ermessen. Nach den Erläuterungen des Gesetzgebers und nach der Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs liegt pflichtwidriges Verhalten aber schon dann vor, wenn sich ein Amtsträger bei der Ausübung von Ermessen von unsachlichen Motiven leiten lässt. Das ist gerade dann der Fall, wenn die Geldzuwendung sein Handeln bestimmt. Das heißt: Wer als EU-Abgeordneter gegen Geld als Lobbyist tätig wird und etwa (Abänderungs-)Anträge im Interesse seiner Auftraggeber einbringt, handelt nach herrschender Auffassung pflichtwidrig.

Leichtes Spiel für Lobbyisten

Für Mandatare im Inland (Nationalrat, Bundesrat, Landtage, Gemeinderäte) ist die Lage erstaunlicherweise anders. Sie wurden zwar im Jahr 2009 in den Begriff des Amtsträgers einbezogen; dies jedoch nur, soweit sie ihre Stimme abgeben oder sonst in Ausübung ihrer in der Geschäftsordnung vorgesehenen Pflichten tätig werden. Wenn österreichische Abgeordnete also beispielsweise parlamentarische Anfragen stellen oder anderes Lobbying betreiben, sind sie straffrei, weil dabei keine parlamentarischen Pflichten, sondern bloße Rechte ausgeübt werden. Wenn ein österreichischer Nationalratsabgeordneter das Gleiche macht wie Strasser als EU-Abgeordneter, bleibt er straflos. Nur wenn er sich für eine pflichtwidrige Stimmabgabe oder etwa das Fernbleiben von einer Abstimmung bezahlen lässt, damit gar kein Beschluss zustande kommt, macht er sich strafbar.

Straflos bleiben Abgeordnete in Österreich auch dann, wenn sie das Geld für ein an sich korrektes Amtsgeschäft annehmen. Entsprechendes gilt umgekehrt für die Personen, die den Abgeordneten bestechen. Strafbar ist nur die Korruption für ein pflichtwidriges Amtsgeschäft des österreichischen Abgeordneten, also ein bestimmtes Verhalten bei einer Wahl oder Stimmabgabe oder bei der Ausübung einer geschäftsordnungsmäßigen Pflicht. Das Anbieten und Gewähren von Vorteilen für klassisches Lobbying, etwa für das Stellen eines Antrags, ist nicht strafbar.

Im Ergebnis ist diese krasse Besserstellung österreichischer Abgeordneter in keiner Weise nachvollziehbar und sollte wohl schleunigst geändert werden.

Univ.-Prof. Dr. Schwaighofer lehrt Strafrecht, Strafprozessrecht und Kriminologie in Innsbruck.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 28.03.2011)

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