Hans-Peter Martin, selbst ernannter Aufdecker und Saubermann im Europaparlament, ist selbst ins Zwielicht geraten. Die Vorwürfe, die sein bisheriger Weggefährte Martin Ehrenhauser bei der Staatsanwaltschaft gegen seinen ehemaligen Listenchef einbrachte, wiegen schwer. Martin soll private Ausgaben als Parteiaufwendungen verbucht, unerklärlich hohe Honorare an befreundete Unternehmer gezahlt und die Wirtschaftsprüfer möglicherweise mit mehrdeutigen Belegen getäuscht haben.
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Martin nennt die Betrugsvorwürfe "haltlos und rufschädigend", beantragte eine Finanzprüfung und kündigte rechtliche Schritte an.
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Als ehemaliger Büroleiter dürfte Ehrenhauser so viel Einblick in die Finanzen der "Liste Martin" haben wie sonst keiner seiner ehemaligen Mitstreiter, die ihm wegen unüberbrückbaren Differenzen den Rücken gekehrt haben. Schon die Ex-Moderatorin Karin Resetarits (Bild) klagte Martin nach ihrem Bruch mit dem Vorarlberger auf Rückerstattung ihrer Wahlkampfkosten von 2004 in Höhe von 52.306 Euro - den Rechtsstreit vor Gericht verlor sie aber drei Jahre später.
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Ein Wirtschaftsprüfer des Finanzministeriums bestätigte 2008, dass die im Zusammenhang mit der EU-Wahl 2004 und der Nationalratswahl 2006 gewährten Fördermittel "eine widmungsgemäße Verwendung gefunden haben". Die im Vorjahr aus der Liste "Hans-Peter Martin" ausgetretene EU-Abgeordnete Angelika Werthmann betont dagegen, dass "die Wahlkampfkostenabrechnung nie nachvollziehbar war - zu meinem Austritt im Juli 2010 war der Verbleib von immerhin rund 3,3 Millionen Euro ungeklärt".
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Wie kein anderer von Martins früheren Weggefährten fährt Ehrenhauser (Bild links) schweres Geschütz auf. Er ist nach Angaben von "profil" im Besitz von Unterlagen über Martins Buchhaltung, die den Verdacht zuließen, der Listenchef habe gut die Hälfte der staatlichen Kostenrückerstattung für den EU-Wahlkampf 2009 zu seinen Gunsten verwendet. In Summe geht es laut "profil" um eine Million Euro Steuergeld. So habe sich Martin etwa sein Wohnhaus in Tübingen großzügig von einem Architekten umplanen lassen, die Rechnung sei unter "Sachaufwand für Öffentlichkeitsarbeit" verbucht worden.
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Mit Ehrenhauser erklärt der für lange Zeit getreueste Mitstreiter seinem früheren politischen Meister den Angriff. Der Bruch zwischen beiden erfolgte nach Angaben von Insidern, als der Europäische Gerichtshof vergangenen Dezember bestätige, dass Martin 163.381 Euro an das EU-Parlament zurückerstatten muss. Das Europaparlament hatte die Gelder im Jahr 2007 von ihm wegen regelwidriger Verwendung der Sekretariatszulage im Zusammenhang mit der Beschäftigung von Mitarbeitern zurückgefordert. Das EU-Parlament stützte sich dabei auf eine Untersuchung des EU-Amtes für Betrugsbekämpfung (OLAF). In Österreich war ein Strafverfahren gegen Martin auf Basis der OLAF-Erhebungen im November 2007 mangels Beweisen eingestellt worden.
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Martin selbst, der früher laut gegen die missbräuchliche Verwendung von EU-Spesen zu Felde zog und dabei mit Knopflochkamera gegen seine Kollegen im EU-Parlament bespitzelte, der bei der EU-Wahl 2009 als Kommentator und Liebling der "Kronen-Zeitung" ohne jeglichen Parteiapparat fast 18 Prozent holte, trat in letzter Zeit leiser auf. Eine Tinnitus-Erkrankung zwang ihn schon vor eineinhalb Jahren zum weitgehenden Rückzug aus der Tagespolitik.
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Trotz seiner Erfolge im Kampf gegen den EU-Spesenmissbrauch konnte er in der Innenpolitik nie Fuß fassen. Ins EU-Parlament geholt wurde Martin 1999 vom damaligen Bundeskanzler und SPÖ-Chef Viktor Klima, der ihn zum Spitzenkandidaten auserkor. Nach jahrelangen Spannungen wurde der von Anfang an "parteifreie" Ex-Journalist 2004 von der sozialdemokratischen SPE-Fraktion ausgeschlossen.
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Hans-Peter Martin wurde 11. August 1957 in Bregenz, Vorarlberg, geboren. Er studierte Rechts- und Politikwissenschaften in Wien. Ab 1986 war er außenpolitischer Redakteur beim deutschen Nachrichtenmagazin "Der Spiegel" in Hamburg. Von 1989 bis 1991 war er Korrespondent für Südamerika mit Sitz in Rio de Janeiro. Dann leitete er das "Spiegel"-Büro in Wien. Neben dem Bestseller "Die Globalisierungsfalle" publizierte er "Nachtschicht - eine Betriebsreportage" sowie als Co-Autor "Gesunde Geschäfte", "Kursbuch Gesundheit" und "Bittere Pillen". Martin ist in zweiter Ehe verheiratet, aus erster Ehe hat er einen Sohn.
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Selbst ernannter Saubermann im Zwielicht
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