Durchbruch bei Kroatiens Weg in die EU

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Zagreb hat lange verschleppte Reformen des Justizsystems vollzogen. Brüssel ist zufrieden und empfiehlt den Abschluss der Verhandlungen. 2013 wird das Land zum 28. Mitgliedstaat.

Das größte Hindernis auf Kroatiens Weg in die Europäische Union ist beseitigt. In den vergangenen Tagen einigte sich die Europäische Kommission darauf, dass die jüngsten Justizreformen den Anforderungen eines künftigen EU-Mitglieds entsprechen. Damit dürften die Beitrittsverhandlungen, die lange Zeit auf der Kippe standen, doch noch vor dem Sommer abgeschlossen werden. Kroatien könnte damit Anfang 2013 das 28. Mitgliedsland der EU werden.

„Reformen implementiert“

„Kroatien hat die nötigen Reformen implementiert. Sie sind irreversibel und dauerhaft. Ich empfehle, die Verhandlungen über Kapitel 23 vor dem Sommer abzuschließen“, ließ Justizkommissarin Viviane Reding die „Presse“ am vergangenen Donnerstag wissen.

„Die Kommission hat ein Exemplar des Berichts über die Bewertung der Erfüllung der Maßstäbe für Kapitel 23 erhalten, der von der kroatischen Regierung am 12.Mai angenommen worden ist. Die Kommission ist dabei, diese Dokumente zu analysieren“, lautete nach mehrstündiger Nachdenkpause die dürre Antwort der Sprecherin von Štefan Füle, dem EU-Kommissar für Erweiterung, auf eine entsprechende „Presse“-Anfrage. Doch in der Frage, ob Kroatiens Justizreform den EU-Anforderungen Genüge tut, hat in der Kommission Reding das Sagen.

Lehre aus überhasteten Beitritten

Sie war bis zuletzt eine der größten Kritikerinnen eines überhasteten Beitritts der Kroaten. Allzu deutlich ist ihr der Ärger über die unzureichenden Reformen Bulgariens und Rumäniens in den Bereichen Korruptionsbekämpfung, Polizei und Justiz in Erinnerung. Vor allem auf Druck Großbritanniens und Frankreichs peitschte man 2007 den Beitritt der beiden Länder durch. Bald stellte sich heraus, dass jeglicher Reformeifer nach dem Beitritt verflogen war. Seither mühen sich die Kommission, Bulgarien und Rumänien sowie die anderen 25 Mitgliedstaaten durch einen wenig ertragreichen Überwachungsprozess, der die Reformen nachholen soll und halbjährige Berichte, aber kaum echte Fortschritte liefert.

Die Schlamperei beim bulgarisch-rumänischen Beitritt hat das Projekt der EU-Erweiterung schwer beschädigt. Kroatien wird deutlich strenger bewertet, als es die beiden jüngsten Mitglieder der Union wurden. Und so drückte Reding eines Tages im vergangenen Herbst den Vertretern des kroatischen Justizministeriums ein streng vertrauliches Zwölf-Punkte-Papier in die Hand. An dieser Checkliste wolle sie die Reformen prüfen, machte Reding den Kroaten klar. Das hat sie nun getan. Und in Absprache mit Erweiterungskommissar Füle und Kommissionspräsident José Manuel Barroso ist sie zu einem zustimmenden Befund gekommen.

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Neue Sondergerichte

Fünf Bereiche waren ihr besonders wichtig: Erstens hat die Zagreber Regierung glaubhaft gemacht, dass sie mit der Schaffung von vier Sondergerichten für Kriegsverbrechen aus dem jugoslawischen Schlachten der 1990er-Jahre, die nicht so schwer sind, dass sie in Den Haag verhandelt werden müssen, voranschreitet. Zweitens gelobt Zagreb, ab sofort Beweismaterial für schwerere Kriegsverbrechen anstandslos nach Den Haag weiterzuleiten. Drittens läuft das neue Aufnahmeverfahren mit strengen Prüfungen für das Justizpersonal an. Dieses Jahr plane die Regierung, aus rund 1100 Kandidaten 72 neue Richter und Staatsanwälte zu ernennen. Viertens wird die Verantwortlichkeit des Justizwesens dadurch gestärkt, dass die strafrechtliche Immunität von Richtern aufgehoben beziehungsweise stark gelockert wird. Und fünftens macht sich Kroatien daran, den Rückstau an offenen Verfahren abzubauen.

Da sieht es nämlich ziemlich düster aus. Laut dem bisher letzten Zwischenbericht der Kommission vom 2. März dieses Jahres schaffte es Kroatien von Dezember 2009 bis Dezember 2010 nur, die Zahl offener Verfahren um 1,3 Prozent von 795.722 auf 785.561 zu senken. Die Zahl alter Strafprozesse sank in diesem Zeitraum zwar um 10,6 Prozent. Dafür stieg die Zahl zivilrechtlicher Verfahren, die seit mindestens drei Jahren anhängig sind, um 3,8 Prozent.

Bis Kroatien beitreten wird, dauert es allerdings noch eine Weile. Zuerst müssen alle EU-Regierungen zustimmen. Dann muss der auf dieser Zustimmung basierende Beitrittsvertrag in allen 27 Mitgliedstaaten ratifiziert werden. Das dauert voraussichtlich eineinhalb Jahre. 2013 sollte der lange Weg Kroatiens in die Union, der am 21. Februar 2003 mit der Einreichung des Antrags auf Mitgliedschaft begann, enden. Leitartikel Seite 2

("Die Presse", Print-Ausgabe, 18.05.2011)

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